Weltenbrand als Tischfeuerwerk

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Mattias R. Entress

«Wagner? Open Air? Das haut nicht hin.» So unkten Skeptiker, erzählt Festivalchef Gerhard Kämpfe, als sie von seinen hochfliegenden Plänen für diesen Abend hörten. Doch 7000 Zuhörer sind gekommen zur «Wagnernacht im Feuerzauber» auf dem Gendarmenmarkt. Bereit, sich dem Rausch der Wagnerklänge hinzugeben, hitzig gespannt auf ein fantastisches Feuerwerk.

Acht Uhr Abends. Es ist die Zeit des Lichtwechsels. Der milde Sommernachmittag geht über in die blaue Stunde. Wie klein die Musiker der Chemnitzer Robert-Schumann-Philharmonie, die Opern-Choristen aus Chemnitz und von der Lindenoper, die Sänger inmitten der den Platz säumenden Barockarchitektur wirken! Die Musik hebt an. Tannhäuser, Einzug der Gäste. Die Beschallung reicht kaum aus, die Fülle des Orchesterklangs zu vermitteln. Aber das wohlmeinende Ohr ist in der Lage, sich den Bedingungen anzupassen.

Schwalben kreisen über dem Platz, geben ihren atonalen Kommentar, und erstmals machen sich die Partygäste auf den Balkonen der Bürogebäude bemerkbar. Zweite Nummer: «Dich, teure Halle, grüß ich wieder», Turid Carlsen als Elisabeth. Aber wo bleibt der Aufschwung? Das große ungehemmt sich aussingende Gefühl, in dem die Menge baden will? Ja, Wagner ist nicht Verdi! Wagner wirft dem Gefühl stets den Gedanken zwischen die Beine. Auf Tannhäuser folgt der Ring. Bayreuth-Siegfried Wolfgang Schmidt nutzt bei Siegmunds «Winterstürme wichen dem Wonnemond» das Mikrofon geschickt.

Roberto Paternostro ist der Dirigent. Dieser in Berlin überaus bekannte Musiker konzentriert sich auf die Feinheiten, führt das hervorragend einstudierte Chemnitzer Orchester präzise, mit Vorsicht und reduziertem Tempo, durch gefährliche Untiefen. Doch Wagners Musik versperrt sich den 7000 Menschen. Das komplizierte Quintett aus «Meistersinger», in dem jede Figur eigenen Gedanken nachhängt - es kann in diesem Rahmen seine musikalische und thematische Logik nicht entfalten und zerbröckelt.

Das ansteckende Gelächter der Partygäste in den rückwärtigen Bürohäusern gewinnt nach der Pause an Aggressivität und scheint immer mehr der Veranstaltung zu gelten. Zäh folgt eine Nummer der anderen. Zum Abschluss schießen, Finale Götterdämmerung, Flammen vom Dach des knallrot beleuchteten Konzerthauses. Man fürchtet schon, das Gebäude ende nun selbst in Walhallas Weltenbrand.

«Wagner? Open Air? Das haut nicht hin.» Dieser Abend lieferte die Argumente.