Still war es geworden um Schinkels Neue Wache. Vergessen der alte Streit um die Frage, ob es eine gemeinsame nationale Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft geben kann. Ein Ort, der dem ermordeten KZ-Häftling ebenso gedenkt wie dem gefallenen SS-Mann. Jetzt bringt Kultursenator Thomas Flierl (PDS) die Debatte wieder in Gang. Schon als Baustadtrat in Mitte hatte er für eine «Säkularisierung» der nationalen Gedenkstätte der Bundesrepublik plädiert. Eine zentrale Gedenkstätte, die allen Opfern gerecht wird, die könne es nicht geben.
Aus Anlass der angekündigten Wiederaufstellung der marmornen Standbilder von Scharnhorst und Bülow im Prinzessinnengarten am Bebelplatz brachte er das Thema wieder auf den Tisch. Schließlich stehe doch - wenn auch langfristig - die Fertigstellung des Holocaustmahnmals sowie die Dokumentation der «Topographie» des Terrors an.
Man kann sich darüber mokieren, dass Flierl Preußens Generäle vorrücken lässt, aber in Sachen Neue Wache politische Korrektheit beweist. Doch dass die Neue Wache ein schwieriger Ort des Gedenkens ist, kann man nur schwerlich bestreiten. Das zeigte schon die Nutzung zu DDR-Zeiten als «Mahnmal für die Opfer des Militarismus und Faschismus». Wachablösung mit Stechschritt - der SED-Staat missbrauchte den Ort der Mahnung für die Zurschaustellung seines Militarismus.
«Hier kann der Staat kein widerspruchsfreies Gedenken zelebrieren», sagt Torsten Wöhlert, Sprecher des Kultursenators. Denn an diesem Ort ist immer widersprüchlich gedacht worden. Dieser Ort sei vielmehr prädestiniert zu zeigen, wie einseitig Deutsche mit dem Gedenken umgegangen sind.
Dabei ginge es dem Kultursenator nicht um eine nachträgliche Bilderstürmerei gegen die Pietà, jener viel kritisierten vergrößerten Replik von Käthe Kollwitz' Skulptur «Mutter mit totem Sohn». Und unter der Voraussetzung, dass die Neue Wache ihre Funktion der nationalen Gedenkstätte verliert, kann sich Flierl sogar vorstellen, Scharnhorst und Bülow wieder zu beiden Seiten der Neuen Wache zu platzieren. Er könne nun mal unterscheiden zwischen den Generälen und den Zeichen, die sie für die Geschichtlichkeit des Ortes setzen.
Doch erfordert nicht diese Geschichtlichkeit gerade hier einen besonderen Ort des Gedenkens an die verheerenden Folgen des Militarismus? Wo, wenn nicht hier, erinnert sich die alte Frau an ihren Bräutigam, der mit 18 irgendwo in Russland gefallen ist? An den namenlosen jungen Mann, der wie der Sohn von Käthe Kollwitz einer nationalistischen Propaganda zum Opfer gefallen ist?
Arne Kollwitz, Enkel und Erbe der Künstlerin, hält die Idee einer Neubestimmung der Gedenkstätte für «politisch nicht durchsetzbar». Er hofft auf den Bund, unter dessen Aufsicht die Neue Wache steht. Falls allerdings Flierls Vorschlag doch realisiert werden sollte, «dann hätte es keinen Sinn mehr, die Pietà dort stehen zu lassen».