Wie beim Marathon

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Peter Zander

Keine Angst: Der Titel «Mein letzter Film» ist nicht wörtlich zu nehmen - Hannelore Elsner dreht mehr denn je. Dennoch ist ihr Monolog etwas ganz Persönliches: Sie packt ein, um abzuhauen - und packt aus, vor einer Videokamera. Heute Abend hat der Film im Kant-Kino Premiere.

Berliner Morgenpost: Einfach packen und ausbüxen - hätten Sie das auch schon mal gemacht?

O ja, ich würde gerne so abhauen. Davon träume ich schon, seit ich ganz klein bin. Es ist halt nur ein Unterschied, ob man das auch macht. Ich würde schon wiederkommen wollen.

Was würde denn in Ihren Koffer kommen?

Keine Ahnung. Ich müsste mich erst mal dazu durchringen, einen winzigen Koffer zu haben, weil ich immer viel zu viel mitnehme. Ich wünschte mir eigentlich, dass ich gar keinen Koffer bräuchte.

Sie würden also auch Ihre Preise stehen lassen?

Auf jeden Fall. Ich finde, die stehen wunderbar da auf dem Kamin.

Und könnten Sie sich auch vorstellen, eine derartige Abrechnung auf Video zu hinterlassen?

Heute kommt ja keiner mehr auf die Idee, Tagebuch zu schreiben. Da wäre das eine prima Alternative. Man müsste eine Videokamera fest installieren und jeden Tag filmen. Wenn man sich vorstellt, was da nur im Jahr herauskäme! Und das wäre viel ehrlicher, viel aufschlussreicher als ein Tagebuch. Weil man nicht nur weiß, wie man sich damals gefühlt hat, sondern auch, wie man dabei ausgesehen hat!

Einen ganzen Film solo zu bestreiten: Ist das ein Geschenk oder auch eine Bürde?

Erst mal ist es natürlich ein Geschenk. Dieser wunderbare Text, diese Gedankenarbeit. Und diese beiden tollen Männer: Oliver Hirschbiegel, der Regisseur, und Rainer Klausmann, der Kameramann, der quasi mein Partner war. Es war ganz still, ganz ruhig, ein ganz kleines Team.

Und Sie sind ständig im Einsatz, können keine Pause machen.

Das Anstrengendste war, dass es so lange Einstellungen ohne Schnitte gab. Ich hatte da zum Teil 15 Seiten Text am Stück zu sprechen. Und wenn ich mich im letzten Wort versprochen habe, mussten wir noch mal ganz von vorn anfangen. Ich fühlte mich da wie bei einem Marathonlauf.

Geplant war das Ganze erst mal als Experiment, nach dem Motto: Mal sehen, was draus wird?

Genau, wir haben das einfach mal probiert. Ich wusste nicht genau, was das werden soll, es hätte auch in die Hose gehen können. Passiert ja manchmal. Darfs ja auch. Da hab ich kein Problem. Nicht mehr. Aber dann die Reaktion der Anderen zu erleben, das war unglaublich.

Inwieweit ist «Mein letzter Film» auf Sie zugeschnitten?

Überhaupt nicht. Ich war bei dem ganzen Prozess nicht dabei. Es ist auch keine biographische Geschichte, das möchte ich ausdrücklich betonen. Es ist für mich, aber nicht über mich geschrieben.

Ich hätte schwören können, Sie selbst ließen einiges einfließen.

Es ist so, wie Marie es im Film sagt: «Ich bin es und bin es nicht.» Natürlich ist auch alles von mir drin: Fantasie, Intuition, Lebenserfahrung. Aber warum sagt man nicht einfach: Das ist meine Kunst? Eine Frau, die das alles erlebt hat, könnte noch lange nicht alles so spielen. Ich bin halt eine gute Schauspielerin. Was soll ich machen?

Wie machen Sie denn den Text so unverwechselbar zu dem Ihren?

Ich lernte nachts den Text für den nächsten Tag. Aber nicht nur Wort und Wort. Das reicht mir schon lange nicht mehr. Man muss nachfühlen, was der Autor damit gemeint hat, was die Figur damit meinen könnte. Und dann geschieht etwas wie eine chemische Reaktion: dass jeder sich aus einem Text das nehmen kann, was er braucht.

Das heißt, der eigentlich kreative Moment ist nicht das Drehen, sondern der Abend davor, wenn Sie den Text verinnerlichen?

Ja. Das ist die Initiation. Das ist, darauf bestehe ich, so was wie eine zweite Autorenschaft. Da erfinde ich's für mich noch mal neu.

Dann wachsen Sie mit und an Ihren Rollen?

Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Man entdeckt dadurch einen unglaublichen Reichtum in sich. Ich krieg' von meinen Rollen auch sehr viel geschenkt. Aber ich schenk' denen auch was von mir.

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