«Das ganze Hansaviertel steht in Brand. Ich muss nach Hause, um zu sehen, ob irgendetwas gerettet werden kann», notierte der norwegische Berlin-Korrespondent Theo Findahl in der Nacht vom 23. auf den 24. November 1943. «In der Altonaer Straße ist die Wasserleitung geborsten, die Straße gleicht einem Binnensee. Unmöglich, auf diesem Weg zum Hansaplatz vorwärts zu kommen. Der Tiergarten ist wie ein Dschungel. Zweige und Stängel stechen einem ins Gesicht, während man sich über die umgestürzten Baumstämme vorwärts tastet. Die Händelallee - ein Feuermeer. Ich gehe weiter, biege in die Klopstockstraße ein. Die Straße ist so heiß wie ein Backofen.»
Wie dem Journalisten ergeht es in jenem Herbst und Winter 1943/44 den meisten Berlinern: Sie werden Zeugen und Opfer der großen Berlin-Schlacht, die Royal Air Force und deutsche Luftwaffe am Himmel über der Reichshauptstadt austragen. Als das Bomber Command die Offensive nach 16 Großangriffen im März 1944 abbrach, waren 6166 Berliner tot, weitere 18 431 schwer verletzt und 1,5 Millionen ausgebombt. «Zufrieden» war Bomber-Harris allerdings nicht - bei der «Schlacht um Berlin» verlor er 537 Flugzeuge und fast 4000 Mann Besatzung, ohne den erhofften Feuersturm ausgelöst zu haben.
Der Horror am Boden ist trotzdem kaum mehr vorstellbar. Mindestens jeden zweiten Tag wurden die Berliner von Sirenen aus dem an sich schon entbehrungsreichen Alltag gerissen, verbrachten Stunden um Stunden in den viel zu engen Luftschutzbunkern oder notdürftig ausgebauten Kellerräumen. Wenn sie aus diesen Gruften hervorkamen, war oft genug ihr Haus, ihre Wohnung, ihr restliches Hab und Gut zerstört. Außerdem zerrten viele Sondierungs- und Spähflüge an den Nerven, derentwegen nicht mehr Luftalarm gegeben wurde, die aber manchmal ebenfalls tödliche Fracht an Bord hatten.
«Neulich war ich mit Klaus beim Sieben-Uhr-Alarm im Zoobunker», schrieb die Journalistin Ursula von Kardorff über den Bombenangriff vom 24. Januar 1944. «Eine Herde Menschentiere läuft, während die Flak schon zu schießen beginnt, im Dunkeln auf die Eingänge zu, die klein und viel zu eng sind Taschenlampen gehen an, und alles schreit: Licht aus! Dann schiebt und stößt und drängt das Volk hinein, wobei man sich wundert, dass es noch verhältnismäßig gut abgeht.» Für 15 000 Schutzsuchende ist der riesige Bunker ausgelegt, bis 30 000 Menschen sollen sich hineingedrängt haben. Denn wer hier saß, brauchte wenigstens vor den Bomben keine Angst zu haben.
Unschätzbare Architekturschätze fielen dem Bombardement zum Opfer, manche sogar zweimal. Wie die Staatsoper Unter den Linden, die am 10. April 1941 in Trümmer sank, bis Ende 1942 wiederaufgebaut, aber am 3. Februar 1945 erneut zerstört wurde. Noch schwerer wiegen die Toten der Angriffe - und die Leiden der Überlebenden, die das Trauma der Bombennächte oft nie überwanden.