Nein, Chris Martin, Sänger von Coldplay, hegte bislang wirklich keine Fluchtgedanken. Doch ausgerechnet er beginnt das Konzert in der Arena mit den Worten: «Look at the earth from outer space». Man will dem Mann den Vorstoß in unerreichbare Welten wirklich abnehmen. Martin, dem der Ruf eines sensiblen Jünglings anhängt, singt nicht nur, spielt Gitarre oder Piano, er tanzt auch völlig losgelöst auf der Bühne. Was ist da bloß passiert?
Coldplay spielen in Treptow vor ausverkauftem Haus, haben in Deutschland mit ihrem zweiten Album «A Rush Of Blood To The Head» die Spitze der Hitparaden erreicht und stehen vor einem Triumphzug durch die USA - ein Traum für englische Musiker wie ihn. Da hebt man schon einmal ab. Doch in Wirklichkeit bleibt Martin am Boden. Seine Ansagen radebrecht er komplett auf Deutsch. Typische Stadionrock-Gesten bleiben aus. Die vier Musiker wirken auf der großen Bühne fast ein wenig verloren, weil sie sich weigern, den breiten Raum zur Inszenierung einer Show zu nutzen. Nur eine vierteilige Leinwand leistet man sich, auf der jedes einzelne Bandmitglied in Aktion zu erleben ist.
Musikalisch ist ein deutlicher Bruch zwischen den Songs des ersten Albums «Parachutes» und dem Nachfolger zu erkennen. Zu älteren Stücken wie «Trouble» oder «Everything's Not Lost» spielt Martin Piano und singt schüchtern Falsett. Da klingt noch die Melancholie des unschlüssigen Erstsemester-Studenten durch. Aus dem neuen Repertoire ist die Ballade dagegen verschwunden. Wenn noch zu diesem Stilmittel gegriffen wird wie in «Green Eyes», dann kommt heiteres Country-Flair hinzu.
Wahre Begeisterung erfüllt den Saal, wenn Coldplay rocken. Das können sie jetzt nämlich auch. «God Put A Smile On Your Face» hat eine Dynamik, die man der Band gar nicht zugetraut hätte. «In My Place» und «The Scientist» sind die Hits, die das Volk endgültig aus der Reserve locken. Coldplay scheinen für das Unternehmen Welteroberung bestens gerüstet zu sein. Danach steht immer noch der Griff nach den Sternen offen. Huf .