Anjestoßene Aprikose

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Volker Blech

Ioan Holender ist das, was der Berliner eine anjestoßene Aprikose nennt. Nun kann man auf verschiedene Weise seine Unschuld verlieren. Beim Direktor der Wiener Staatsoper geschah es im Übermut, kurz nachdem der Berliner Kultursenator Thomas Flierl ihn zum künstlerischen Berater der Deutschen Oper Berlin berief. Lustvoll versprach er, endlich Besetzungssaustall und Spielplan auszumisten. Das macht keine Freunde. Die Empörung des Gerade-Noch-Intendanten folgte prompt. Flierl und Holender versuchten gestern, die kulturpolitische Unschuld vom Lande Berlin zu spielen. So war er, säuselte Holender, dieser Tage zuerst beim Intendanten Zimmermann.

Überhaupt versicherte Holender, bestehende Verträge mit Künstlern nicht anzugreifen. Er sei nur ein Berater für die kommenden zwei Spielzeiten und «eine austauschbare Person.» Bescheiden soll demnach auch seine «kleine Honorierung» sein: «Ich hüte mich, viel Geld zu nehmen.» Dafür ist er großzügig mit hausbackenen Ratschlägen, in die er durchaus geschickt seine Kritik einzubringen vermag. «Wenn die Menschen uns das Produkt nicht mehr abkaufen, dann ist das, was wir unternehmen, ziemlich sinnlos», sagt er, und jeder Manager würde applaudieren. Zugleich merkt Holender die erschreckend niedrigen Auslastungszahlen der Deutschen Oper an.

Die «Médée» findet er künstlerisch schon gelungen, aber für die Wiederaufnahme - nur weil der Regisseur auf seine Probenzeit pocht - das Haus für dreieinhalb Wochen zu blockieren, hält er für Verschwendung. In «Don Pasquale» sieht er ein hübsches kleines Stück, das aber eigentlich nicht in die große Deutsche Oper gehört. Kippen wird er die Premiere nicht. Aber er will sie dann wenigstens aufwerten und dazu den italienischen Nobelpreisträger Dario Fo als Regisseur gewinnen.

Zum Hauptfeind erklärt Holender die Doubletten. Und meint damit jene Tage, an denen alle drei Häuser geschlossen sind. Die Löcher will er stopfen und beiläufig den rar gewordenen Generalmusikdirektor Christian Thielemann mehr einbeziehen.

Holender, Befürworter einer Opernfusion in Berlin, betont, kein Berater des Kultursenators für die bevorstehende Strukturreform zu sein. Aber wer glaubt schon einer anjestoßenen Aprikose.