«Mit Leib und Seele auf Seiten der Kunst»

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Stefan Grund

Die ehemalige Hamburger Kultursenatorin Christina Weiss wird neue Kulturstaatsministerin. Die Entscheidung für das Amt sei ihr leicht gefallen, zitierten der Radiosender «NDR 90,3» und das TV-Magazin «Hamburg Journal» die parteilose Weiss nach einem Treffen mit Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Das Sabbat-Jahr, das sie sich nach zehn Jahren im Amt der Hamburger Kultursenatorin selbst verordnet hatte, ist also mit einem Paukenschlag zuende gegangen. Stillsitzen und Nichtstun liegen der 48-Jährigen allerdings ohnehin nicht: In den vergangenen Monaten hielt sie europaweit Vorträge zur gesellschaftlichen Bedeutung der Kultur. Ihr Comeback war also absehbar. Dass es ein Amt auf Bundesebene wird, kam wohl auch für die neue Kulturstaatsministerin überraschend.

Die promovierte Literaturwissenschaftlerin, die vor ihrer Zeit als Senatorin das Hamburger Literaturhaus leitete, wollte eigentlich in den Kulturbetrieb zurück und der Politik den Rücken kehren. Die Verhandlungen mit einer Kultureinrichtung, über die sie nichts verraten wollte, standen kurz vor dem Abschluss, als sich durch Julian Nida-Rümelins Verzicht auf das Amt der Weg nach Berlin öffnete.

Der Bundeskanzler hätte kaum eine bessere Wahl treffen können. Sein neues Kabinettsmitglied ist eine ausgewiesene Fachfrau in den Gebieten Kultur, Verwaltung und Politik. Über sich selbst sagte Christina Weiss, die das Amt der Kultursenatorin in Hamburg länger ausübte als alle ihre Vorgänger: «Ich stehe fast missionarisch mit Leib und Seele auf Seiten der Kunst.»

In ihrer Amtszeit reformierte sie die Hamburger Kulturbehörde, gliederte die Museen aus der Verwaltung aus und vermittelte erfolgreich zwischen den Welten der Kulturschaffenden, Politiker und Sponsoren. In Hamburg, der Stadt mit der bundesweit höchsten Zahl an Mäzenen, ist dies ein traditioneller und nicht zu unterschätzender Anteil der praktischen politischen Arbeit. Jenseits des konsensorientierten Wirkens galt und gilt die Liebe der Christina Weiss experimentellen Formen der Kunst. Damit allerdings hat sie sich nicht nur Freunde gemacht.

Als ihre größte politische Tugend bezeichnete die passionierte Teetrinkerin ihre Geduld und die Zähigkeit, mit der sie jeweils «tausend Gremien» von der Richtigkeit ihrer Entscheidungen überzeugen konnte. Im Laufe ihrer Amtzeit hat Christina Weiss sich schrittweise von der Kulturexpertin zur Politikerin entwickelt. Fiel es ihr vor elf Jahren noch sichtlich schwer, vor großem Publikum zu sprechen, genoss sie ihre Auftritte zum Ende ihrer Amtszeit offenkundig und schied nach der Wahlniederlage der Hamburger SPD im Herbst 2001 kämpferisch aus ihrem Amt als Senatorin.