«Kann wegfallen»

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Stefan Kirschner und Felix Müller

Berlins Finanzsenator Thilo

Sarrazin (SPD) legt die Axt an die Kulturszene: Seine «Arbeitsgruppe Haushaltskonsolidierung» schlägt vor, Schaubühne und Berliner Ensemble zu schließen, die Zuschüsse für die Opernhäuser zu halbieren und die Zuwendungen für Friedrichstadtpalast und Berliner Symphoniker einzustellen.

Finanzsenator Thilo Sarrazin hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass er besonders im Kulturbereich Einsparpotenziale sieht. Eines von drei Berliner Opernhäusern hat er schon kurz nach seinem Amtsantritt Anfang dieses Jahres in Frage gestellt - wobei er offen ließ, auf welches Haus man am ehesten verzichten könnte. Genauer wird er auch in dem neuesten, vom 6. September datierten Einsparvorschlägen nicht: Die Arbeitsgruppe Haushaltskonsolidierung schlägt in diesem internen Arbeitspapier vor, die Opernzuschüsse pauschal ab 2006 um 59 Millionen Euro «auf das Niveau der Münchner Staatsoper» zu senken. Das wäre mehr als eine Halbierung. Derzeit bekommen die drei Berliner Opernhäusern rund 115 Millionen Euro vom Land Berlin. Sarrazins zweite Variante («Reduzierung auf Hamburger Niveau») spart zusätzlich neun Millionen. Für die drei Opernhäusern blieben dann nur noch 47 Millionen Euro übrig, was den Betrieb realistischerweise auf ein Haus beschränken würde.

Als «völlig absurd» und «unseriös» bezeichnete Udo Zimmermann, der Generalintendant der Deutschen Oper, diese Vorschläge. Er hat kein Verständnis dafür, dass der Regierende Bürgermeister wie jüngst bei der «Verkauften-Braut»-Premiere in der Komischen Oper die Mitarbeiter beruhigt, aber wenige Tage später dann der Finanzsenator eine neue Diskussion auslöst. Durch die ständigen Debatten würden die Häuser nur verunsichert.

Sarrazin will aber nicht nur bei den Opern sparen. So schlägt die Arbeitsgruppe außerdem vor, ab 2004 keine Zuschüsse mehr an das Berliner Ensemble (BE) und die Schaubühne, die Berliner Symphoniker und den Friedrichstadtpalast zu zahlen. Die entsprechenden Zuwendungsverträge laufen tatsächlich Ende 2003 aus, die Verhandlungen darüber sollten eigentlich bereits begonnen haben, aber «das zieht sich wohl noch hin», so Schaubühnen-Direktor Jürgen Schitthelm.

Sollte sich Sarrazin mit dieser Streichliste durchsetzen, dürfte für diese vier Einrichtungen im nächsten Jahr die letzte Stunde geschlagen haben. Anders als bei der Abwicklung des staatlichen Schiller-Theaters in den neunziger Jahren kann das Land den privat organisierten Theater GmbHs den Geldhahn zudrehen, ohne dass es zu einer Prozesslawine kommt und jahrelang weiter gezahlt werden muss. Quasi als möglicher Probendurchlauf wurden in diesem Jahr bereits das Hansa-Theater und das Schlosspark-Theater abgewickelt, indem kurzerhand die Subventionen gestrichen wurden.

Schaubühnen-Direktor Schitthelm, der mit seinem Theater am Sonnabend das 40-jährige Bestehen feiert, wollte sich gestern nicht weiter zu den Vorschlägen äußern: «Ich möchte mich erst mit den anderen betroffenen Einrichtungen abstimmen», so Schitthelm gegenüber der Morgenpost. Claus Peymann, dessen Intendanten-Vertrag erst vor wenigen Wochen verlängert worden war, traf die Nachricht gestern Nachmittag überraschend auf dem Wiener Flughafen bei der Rückkehr von einem Gastspiel des Berliner Ensembles in Japan. Er möchte sich zunächst beim Finanzsenator informieren, so Peymann.

Für Monika Grütters, die kulturpolitische Sprecherin der CDU, manifestiert sich in diesen Vorschlägen die «geistfeindliche Haltung der SPD». Die Einsparungen stünden in keinem Verhältnis zum Schaden, schon jetzt gebe die Stadt verhältnismäßig wenig Geld für Kultur aus.

Guido Herrmann, kaufmännischer Geschäftsführer des Friedrichstadtpalastes, sieht noch keinen Grund zur Panik. «Wir sind das erfolgreichste Theater Berlins. Unsere Subventionen sind in den letzten Jahren bereits halbiert worden», so Herrmann zur Berliner Morgenpost. Nach einer 20-prozentigen Kürzung Anfang dieses Jahres bekommt der Friedrichstadtpalast in 2003 noch sieben Millionen Euro. Ohne diesen Zuschuss «können wir den Betrieb dichtmachen».

Aus Sicht von Wolfgang Brauer, dem kulturpolitischen Sprecher der PDS-Fraktion, müssen sich die betroffenen Einrichtungen keine Sorgen machen. Er bezeichnete die Pläne Sarrazins als «finanzpolitisches Harakiri» und empfiehlt dem Senator, «die Finger von der Kultur zu lassen».

Der Kultursenator selbst sieht die Lage kritischer. Am Rande der Vertragsunterzeichnung von Volksbühnen-Intendant Frank Castorf meinte Thomas Flierl (PDS), dass er die Liste «sehr ernst» nehme.