Die Sammler wohnen anderswo

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Robert Ketterer

Die Wirtschaft liegt danieder, und um die Kunstszene steht es nicht besser: Der Glanz der Nachwende-Metropole Berlin, unken «Spiegel» und «FAZ», sei dahin. Sehen das die Kulturschaffenden ebenso? An dieser Stelle geben einige von ihnen ihre Haltung zum Hauptstadt-Hype kund.

Ist Berlin eine moderne Kunstmetropole? Während die einen vom Kultur-Vampirismus in der Hauptstadt sprechen, der der Stadt den letzten Tropfen des künstlerischen Lebenselexiers aussaugt, so sind die anderen noch immer vom Glauben an den Trendsetter Berlinbeseelt. Recht haben beide. Doch man kann die Dinge auch differenzierter betrachten. Berlin, Schmelztiegel der Kulturen, hat trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation nichts von seiner kreativen Energie, seiner Fantasie und seiner lebendigen Geschäftigkeit eingebüßt. Im Gegenteil, schwierige Zeiten setzen ein höheres Potential an Einfallsreichtum frei. In keiner anderen deutschen Stadt gibt es so viele interessante junge Künstler, die mit neuen Ideen brillieren.

Was jedoch Berlin als Marktplatz für die Kunst betrifft, so ist die Metropole an der Spree sicherlich heute mehr denn je als eine der großen Herausforderungen unserer Zeit zu betrachten. Während die vor Ort ansässige Villa Grisebach bereits nach einem kurzen Gastspiel 2001 ihre Auktion mit zeitgenössischer Kunst wieder eingestellt hat, leistet Ketterer Kunst bereits seit 1997 mit der «Perspective», einer jährlichen Auktion mit Klassikern der Gegenwart, auf diesem Gebiet Pionierarbeit. Dabei durften wir in den vergangenen fünf Jahren auch recht gute Erfolge verbuchen. So gelang beispielsweise in der ersten Berliner Auktion der Verkauf von Gerhard Richters «Frau mit Hund am See» für einen Erlös von 655 000 Mark (etwa 327 000 Euro). Das zeigt, dass qualitativ hochwertige Ware ihre Käufer findet.

Dennoch haben wir uns in diesem Herbst eine kleine Pause vom Berliner Pflaster gegönnt, denn die erhofften Synergie-Effekte unter anderem vom zeitlich parallel stattfindenden Art Forum, der einzigen deutschen Kunstmesse, die sich auf Gegenwartskunst spezialisiert, waren nur bedingt spürbar. Auch haben wir die Erfahrung gemacht, dass Berlin im Gegensatz zum süddeutschen Raum, in dem wir mit unserem Stammhaus seit gut einem halben Jahrhundert verwurzelt sind, weniger als gewachsener Markt fungiert. Die Hauptstadt ist als Wohnort für viele Kunstsammler nur bedingt attraktiv. Berlin erfüllt vielmehr eine Plattform-Funktion. Damit zieht die Stadt zwar ein vielschichtiges und internationales Publikum an, aber im Zeitalter moderner Kommunikationstechnologien ist die tatsächliche Anwesenheit der Käufer im Auktionssaal nicht unbedingt erforderlich. So wird ein großer Teil der Ware in anderen Bundesländern und international veräußert.

Trotzdem: Berlin ist und bleibt eine spannende Kunststadt. Wir jedenfalls möchten unsere Bemühungen noch nicht ad acta legen und hoffen, im kommenden Jahr hier wieder Kunstgeschichte zu schreiben.