Nicht so kunstlastig, aber viel Glamour: Was Moritz de Hadeln, der neue Chef der Biennale, als Kino auf Weltniveau begreift, erfüllt der Eröffnungsfilm über das tragische Leben der Malerin Frida Kahlo allemal
Sie sitzt schon. Da kommt eine ältere Frau, der sie ihren Platz anbietet. So steht Frida Kahlo im Bus, als der Unfall passiert. Und wird nicht nur zu Boden geschleudert: Eine Metallstange bohrt sich quer durch den Unterleib. Es folgen schmerzhafte Operationen und ein Zwang zu qualvoll langer Regungslosigkeit. Da beginnt sie, im Bett liegend, erst ihren Gipspanzer zu dekorieren und schließlich sich selbst zu malen. In ihrer Schönheit. Und ihrem Leid.
In Julie Taymors lang erwartetem «Frida», der gestern die 59. Filmfestspiele von Venedig eröffnete, ist das Jahr 1922 Ausgangspunkt allen künstlerischen Schaffens von Frida Kahlo. Das Leben der mexikanischen Malerin wurde schon einmal, 1986, in ihrem Heimatland verfilmt. Nun haben sich die Miramax-Studios daran gemacht. Natürlich werden im US-Kino Künstlerbiografien gern aufs Private reduziert. Und natürlich zielt auch «Frida» ein wenig zu glatt in diese Richtung. Aber selten war die Verschränkung von Eros und Kunst so berechtigt wie hier. Fand doch die Kahlo in Diego Rivera einen Gleichgesinnten, einen Ebenbürtigen. Sie heirateten zwei Mal, sie betrogen einander, teilten ihre Geliebten, mehr aber noch ihre Kunst. Und konnten nie voneinander lassen. Zwei Unfälle, sagte die Kahlo einmal, habe sie gehabt: den Bus - und Diego.
Freilich: Auch wenn es politisch wird, reduziert sich der Blick aufs Private. Da werden kommunistische Märsche stimmungsvoll mit Flamencomusik unterlegt, enden politische Diskussionen in Kneipenprügeleien. Und wenn Trotzki in Fridas Haus Asyl findet, geht es nur darum, wann er ihr erliegt. Doch auch wenn «Frida» alle Vorurteile gegen Kino a la Hollywood erneut zu bestätigen scheint, unterscheidet sich das Werk dennoch von den meisten Biopics. Weil es nicht nur Daten und prominente Zeitgenossen abhakt. Sondern zumindest teilweise versucht, Zeitkolorit zu verbildlichen, zu ironisieren, zu verfremden. Die New-York-Reise des Künstlerpaares wird etwa wie eine George-Grosz-Montage dargestellt; und ihre Liebe zu Diego stellt sich Frida einmal vor wie die von King Kong und der weißen Frau. Vor allem aber werden ihre Gemälde immer wieder zu lebenden Bildern.
«Frida», der Film gehört ganz und gar seiner Hauptdarstellerin. Salma Hayek wollte schon immer ihre Landsfrau darstellen, soll sich gar vor Jahren einem Regisseur, der einen Kahlo-Film plante, regelrecht aufgedrängt haben. Jetzt hatte sie, dank Filmen wie «Desperado» und «From Dusk Till Dawn», Einfluss genug, um das Projekt, Hayden Herreras Kahlo-Biografie zu verfilmen, an sich zu reißen: als Darstellerin und Produzentin. Kaum zu glauben, wie ähnlich sie der Kahlo wird, bis in die verwachsenen Augenbrauen hinein. Nur der omnipräsente Damenbart, auf Selbstporträts klar zu erkennen, wird dem Publikum bis kurz vor Schluss erspart. Kaum zu glauben auch, wie Salma Hayek über die dargestellten Jahre immer mehr in den Charakter dieser Persönlichkeit findet.
Schade nur, dass andere Rollen - prominent besetzt mit Ashley Judd, Antonio Banderas, selbst Geoffrey Rush als Trotzki - zwangsweise zu Randfiguren degradiert bleiben. Einzig Alfred Molina als Rivera darf sich mit Salma Hayek ein Mimenduell liefern, das den eigentlichen Reiz des Films ausmacht. Schade auch, dass «Frida» sich mehr an die jüngere Frau mit all ihren Affären hält. Wenn sie erst mal ans Bett gefesselt ist, scheint der Film fast schon zu Ende. Ihr eigentliches Wesen, das Jahrzehnte lang gegen all ihre Schmerzen mit unglaublicher Lebenskraft ankämpfte, schlägt sich nach wie vor nur in ihren Gemälden nieder.
Trotzdem: ein durchaus sehenswerter Film. Und wohl genau das, was Moritz de Hadeln, der neue Mann am Lido, als Kino auf Weltniveau begreift: nicht so kunstlastig, aber viel Glamour.