Ob mit Rad, Auto, S-Bahn oder per pedes: Unterwegs in der Hauptstadt gibt es vieles zu entdecken, das aufzuschreiben sich lohnt. Namhafte Schriftsteller haben es für uns getan.
Ich versuche mich nicht zu bewegen. Ich stehe mitten in der Stadt, in ihrem Inneren, und spüre, wie sie um mich herumwirbelt. Der ganze Planet dreht sich unter mir weg wie ein bunter Zirkusball, rast dabei rotierend durchs All und himmelt die Sonne an. Von so weit weg kann ich Berlin immer noch sehen, wie die Chinesische Mauer, dabei war die Mauer nicht chinesisch, wohl aber der Berliner Bär, der seit meiner Jugend schon ein Panda ist. Berlin ist ein Sturm, der Planeten entwurzelt.
Berlin: mobil.
Die Häuser atmen, dehnen sich aus, recken sich, werden altersgeliftet, verändern ihr Mienenspiel und ihr Innenleben. Die Menschen rennen umher, von einem Termin zum nächsten, immer an der Kante des Zuspätkommens entlang. Gedankensprünge wechseln Strom. Ich nähere mich jetzt von außen, vielleicht in einem Raumschiff, das abstürzt und dann ein Jugendkulturzentrum wird. Ein großes Flugzeug will in Schönefeld landen und kann nirgends eine Rollbahn entdecken. Ein kleines Flugzeug folgt einer Schneise über der Stadt und kracht in ein kleines Haus. Dem Lufttransportschiff in seiner silberglänzenden Käfigkuppel geht die Luft aus. Turmfalken kreisen ums Neuköllner Rathaus. Ein Fallschirmspringer stößt herab, landet auf einer rollenden S-Bahn, surft einen kompletten Ring. Die S-Bahn bäumt sich auf, bohrt sich wie ein Sandwurm in die Tiefe, wird gelb, wird U(nterhaltung), taucht wieder auf, verlangsamt zur Tram und bahnt sich ihre Schienen auf den Wegen der Fußgänger, langsam wie ein domestizierter Drache. Hohe und langgestreckte Busse verkehren auf ihren Spuren, Autos auf der niemals endenden Suche nach Parkplätzen, Fahrradkuriere zischen dazwischen wie Elritzen durch einen Hechtteich. Überhaupt die Fahrräder: Ihre Speichen sind Sonnen, glitzernd vor Geschwindigkeit. Motorräder röhren vor Sehnsucht. Ich sehe eine Inline-Skaterin, einen Skateboardfahrer, ein Kind auf einem Silberroller. Winzige Hände tasten aus Kinderwagen. Lolarot statt engelsblau rennt jemand an mir vorbei. Alles ist in Bewegung hin zu ganz privatem Glück.
Obwohl Berlin auch immer wieder langsam wirkt, matt und erschöpft und regelrecht zittrig - hat man sich erst an den Rhythmus der Symphonie gewöhnt - empfinde ich die Stadt immer noch als ein Symbol der Moderne. Als rasenden Tumult, als jenes kollabierte Mikadospiel, das George Grosz vor Augen hatte. So viele Lebens-, Liebes- und Bewegungslinien durchbohren einander wie die Zweige eines Vogelnestes, geben einander Halt und Struktur, einen verschlossenen Sinn.
Berlin mobil, Berlin on Tour, chronisch pleite, aber immer großspurig. Jetzt muss ein Schloss wieder her, kein Stein darf auf dem anderen bleiben. Berlin auf Zechtour und Liebesparaden, wie ein Spielsüchtiger, der immer alles auf Rot setzt oder alles auf Schwarz. Berlin mobil. Das Berlinmobil. Ohne lesbare Skyline, ein auseinandergefächertes Völkerwanderungssteinzeitlager, errichtet auf märkischem Treibsand.
Ich versuche, mich nicht zu bewegen.
Und bewege mich doch.
Berlin
MobilBerlin
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