Zeichenstunde: Künstlerbrunch im Kanzleramt

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Eigentlich hat er Wichtigeres zu tun. Könnte man meinen, und eigentlich meint das der Kanzler auch. Er sagt es nicht, aber man sieht es Schröder an, als er am Sonntagmorgen zum Brunch ins Kanzleramt lädt, dass Wahlkampf anstrengend ist. Längst plätschern die Worte nicht mit der gewohnten Leichtigkeit. Ernst ist sein Blick, als er versucht, hintergründig zu sein, huscht nur ein Hauch von einem Lächeln übers Gesicht. Er komme aus Hannover, da sei es regnerisch, aber das solle nichts heißen. Auch «phase 7» sei lediglich der Name der Künstlergruppe, die gleich ihre Performance zum Besten geben werde, nicht etwa eine Anspielung auf einen möglichen Abschluss der Kulturveranstaltungen, die er im Kanzleramt initiiert hat.

Das wäre schmerzlich. Man mag provinziell finden, was derzeit als zeitgenössische ostdeutsche Kunst in dem Schultes-Bau präsentiert wird. Und es lässt sich streiten, warum Schröder ausgerechnet Christa Wolf und Günter Grass im vergangenen Januar zu einer Lesung laden musste, die politisch korrekter nicht hätte sein können. Aber immerhin hat Schröder der Kultur Einlass gewährt in die Schaltzentrale der Macht. Und wenn Stoiber nicht bald einen geeigneten Nachfolger für Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin vorschlägt, kriegt ers mit den Künstlern zu tun.

Kunst ist nicht alles, aber ohne Kunst ist vielleicht doch alles nichts. «phase 7» jedenfalls will kommentieren und kommunizieren, was die Welt erschüttert. Die Zeit, die viel zu schnell zerfließt, eine Gesellschaft, die tagtäglich von Informationen überflutet wird, das sind ihre Themen. Eine Blondine streift über den Rasen. «Konferenz auf der Akropolis», sagt sie, und dass man mit dem Handy mehr machen kann als nur telefonieren. Sie nervt, aber das muss so sein, weil die Werbespots noch viel mehr nerven. Elektronische Klänge, mit harten Rhythmen, dann wieder schrill, auf einer Skulptur erzeugt, die Streich- und Schlaginstrument ist. Heinz Berggruen blickt gebannt. Und als Extremsopranistin Olga Szwajgier zu archaischen Tönen ansetzt, muss sogar der Schauspieler Claude Oliver Rudolph grinsen, der ansonsten seinem Ganoven-Image alle Ehre machte. Schräge Melodien entfliehen ihrem Mund, erst als sie Partituren in den Sommerwind wirft, erkennt man, was sie interpretiert: Abstrakte Zeichen, bunt, schwarz-weiß, egal, sie findet immer den richtigen Ton.

Und da kann schließlich auch Schröder nicht mehr anders, als sich amüsieren. Und als er nach dem langen Applaus der polnischen Diva formvollendet einen Kuss auf die Hand haucht, ist für einen Moment alles gut. Claudia Becker