«Ich habe kein Wort zu korrigieren»

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«Ich habe in meiner Darstellung kein Wort zu korrigieren», sagte Marcel Reich-Ranicki nach dem Fund seiner Personalakte der Tageszeitung «Die Welt». «Ich kenne diese über 100 Seiten umfassende Akte nicht.» Er könne sich aber des Eindrucks nicht erwehren, dass hier «jemand eifrig bemüht war, diejenigen Angaben herauszufischen, die vielleicht gegen mich sprechen könnten». Dennoch bewiesen die jetzt aufgetauchten Dokumente keineswegs, «dass meine Rolle in Polen in der letzten Kriegszeit und gleich danach (also bis 1949) größer war, als ich sie in meinem 1999 erschienenen Buch ,Mein Leben' dargestellt habe.»

Der Literaturkritiker bestritt die Darstellung, er sei ein hervorragender Agentenführer gewesen. «Ein Agent ist - laut Duden-Fremdwörterbuch - ein ,im staatlichen Geheimauftrag tätiger Spion'. Ich hatte während meiner Tätigkeit in London überhaupt keinen Agenten, konnte also kein Agentenführer sein. Wohl aber haben mich über die polnische politische Emigration 10 bis 15 Mitarbeiter informiert. Meist waren es arbeitslose oder pensionierte polnische Journalisten. Diese Informanten wurden in der Warschauer Zentrale wichtigtuerisch ,Agenten' genannt.» Auch die Darstellung in der Personalakte, er habe über «große gesellschaftliche Kontakte in Parteikreisen» verfügt, sei falsch. «Wir kannten kein einziges Mitglied des Zentralkomitees, keinen Minister», so Reich-Ranicki. «Es wurde damals von den Halbanalphabeten, die in der Personalabteilung arbeiteten, in den Akten viel Unsinn notiert. Deshalb empfiehlt es sich dringend, derartige Akten nicht immer für bare Münze zu nehmen.»

Dies gelte auch für die Angabe, er habe 1945 mehrere Wochen in Kattowitz gewirkt. «Ich hatte in Kattowitz lediglich die militärische Postzensur zu organisieren, was ich rasch gemacht habe - innerhalb von einigen Tagen, höchstens einer Woche», sagte Reich-Ranicki. Vielleicht, vermutet der Literaturkritiker, «hat sich eine Sekretärin verschrieben». BM