Unter Normalbedingungen kann der Kolonnadenhof vor der Alten Nationalgalerie als romantisch durchgehen. Lauschiges Baumwerk nickt da dem Stülerbau traut zu, die Spree gluckert sachte vor sich hin und zuweilen sorgen die Starenschwärme im Himmel über dem Berliner Dom für ein erhabenes Naturschauspiel. Doch die wahre Romantik ist kein Sonnenuntergangs-Foto aus dem Reiseprospekt. Das weiß jeder Literaturwissenschaftler. Und auch Sven Regener, Sänger, Texter und Trompeter der Band Element of Crime. Mehrmals ruft er laut das Wort «Romantik» ins Publikum während des Konzerts seiner Gruppe vor der Alten Nationalgalerie. Wohl wissend, dass es ein wenig fehl am Platz ist an einem Ort, wo Bratwurstdampf über die Köpfe von 6500 dicht gedrängten stehenden Menschen quillt, Klo-Container und Baugerüste den Hintergrund für die Bühne abgeben.
Romantische Ironie ist das Schlüsselwort für diesen etwas verkrampften Konzertabend wie auch für das Phänomen Element of Crime. Jahrelang mühte sich die 1985 gegründete Band ab, nahm Platten mit englischen Songs auf, die nicht allzu viele Leute kaufen wollten. Erst als Regener anfing, Deutsch zu singen, kurz nach der Wende, wurde Element of Crime zu einem Erfolgsprojekt. Es lag wohl daran, dass man endlich die Texte verstehen konnte, die, ganz wie die guten alten Romantiker, im Banalen das Erhabene suchten.
Poetisch und sentimental könnte man diese reimlosen Song-Gedichte nennen. Aber eigentlich sind diese Miniaturen über Resignation, Stillstand und Alltags-Weltschmerz die Vorläufer der Sofa-Lyrik, die große Teile des gegenwärtigen Berlin-Pops bestimmen. «Wenn nichts passiert, bin ich meistens glücklich», singt der 41-Jährige Regener weise. Couch Potatoes können das nur unterschreiben. Open Air funktioniert das Ganze an diesem trägen Abend aber nicht so gut. Ob es an Lautstärke-Vorschriften oder an einer übergroßen Reserviertheit des Quartetts liegt - die Band kommt über die zwei Stunden nicht richtig aus dem Quark.
Auf dem Konzert-Programm stehen ein paar Stücke aus dem neuen Album «Romantik», die Titelsongs der Platten «Weißes Papier» und «Damals hinterm Mond», auch zwei englische Nummern - hübsch vergammelt das alles, wie es sich für Element of Crime gehört. Dabei jedoch genauso unmotiviert wabernd und trübe verpuffend wie der beknackte Trockeneis-Nebel, mit dem die Bühnentechnik verzweifelt Atmosphäre zu generieren versucht. «Party!» ruft Regener im Zugabenteil. Er grinst dabei, und im Publikum lacht es kurz auf. Josef Engels