Dass die Buchbranche in der Krise steckt, weiß man in Berlin spätestens, seit die Situation des Hauses Kiepert bekannt wurde. Betroffen sind aber auch die Verlage. Über die Krise und über mögliche Perspektiven haben wir mit Berliner Verlegern gesprochen
Er hat ein bisschen Prügel einstecken müssen. Ist noch gar nicht so lange her, im März war's, auf der Leipziger Buchmesse, als Bernd F. Lunkewitz ohne Wenn und Aber sagte, dass sein Aufbau-Verlag Verlust gemacht hätte. Eine Million Mark im Jahr 2001. Um Gottes Willen, riefen die anderen, halt bloß den Mund, du redest die Krise herbei. Kein Verlag möchte in Defizit-Verdacht geraten, das ist wie ein Virus, und wenn die Branche und die Öffentlichkeit merken, dass man kränkelt, beginnen sie womöglich, den Patienten zu meiden. Eine Erfahrung, die in Berlin gerade Kiepert macht. Das ist zwar kein Verlag, aber die Bereiche sind nicht zu trennen. «Die Buchhandelskrise ist auch eine Verlagskrise», sagt Bernd F. Lunkewitz, der die Prügel im Übrigen gut weggesteckt hat. Zum einen hat er Geld, das entspannt. Zum anderen hat er nur früher gesagt, was heute alle einräumen: «Zum ersten Mal haben wir eine Situation, in der keiner mehr sagt, es ginge ihm gut», wie Arnulf Conradi, Chef des Berlin Verlag und des Siedler Verlags, gegenüber der Berliner Morgenpost betont.
Zwischen 15 und 20 Prozent Rückgang musste er dieses Frühjahr im Hardcover-Bereich verzeichnen. Gerade bei den relativ teuren, gebundenen Bücher überlegen die Menschen zweimal. «Wenn die Leute um ihren Job fürchten, werden sie sparsam», sagt Conradi und legt damit den Finger auf den wunden Punkt, der alle schmerzt: die Wirtschaftskrise, in deren Sog auch die Buchbranche geraten ist. 11. September und Euro-Umstellung sind die ständig wiederholten Schlagworte, nicht nur im Buchbereich. In puncto Euro-Umstellung ist der Verleger Christoph Links jedoch zuversichtlich: Damals, als im Osten die DM eingeführt wurde, seien die Umsätze auch drastisch zurückgegangen: «Man muss sich an das neue Geld gewöhnen.» Zwischen 20 und 30 Prozent Umsatzrückgang hätten die kleineren und mittleren Verlage zu verkraften, und das sei «schmerzhaft spürbar». «Wir versuchen ein Sparprogramm. Einige Titel verschieben wir auf das Frühjahr, für andere suchen wir Finanzierungspartner.» So hofft man zu überwintern.
Fast überall wird die Produktion gedrosselt. «Wir machen in diesem Herbst ganz bewusst nur vier Titel», sagt Rainer Nitsche vom Transit Verlag, und: «In dieser Zeit muss man seine Risikofreudigkeit bremsen.» Außerdem achtet er darauf, Titel ins Programm zu nehmen, die man mit Veranstaltungen promoten kann. Aufmerksamkeit muss sein. Der Berlin Verlag etwa wirbt auf der Website von perlentaucher.de, allerdings: «Noch ist das Internet nicht so weit, dass es eine große Rolle spielt», wie Arnulf Conradi sagt, dessen Berlin Verlag immer auch anspruchsvollere Literatur im Programm hat, die sich nicht von selbst verkauft. «Die Presse ist für uns sehr wichtig», sagt er und erzählt weiter, dass Medienexperten zufolge bereits Mitte der neunziger Jahre die Expansionsmöglichkeiten im Medienangebot erschöpft gewesen seien. Fernsehen, Zeitungen, Zeitschriften, Bücher, Internet - riesig ist das Angebot, und begrenzt ist unsere Zeit, das alles wahrzunehmen. «Jetzt finden nur noch Verteilungskämpfe statt», sagt Conradi. Und an diesem Punkt liegt der Kern des Strukturwandels, den die Buchbranche durchmacht.
Immer mehr Bücher, hieß jahrelang die Devise. Vor allem die großen Verlage, die unter dem Dach der Medien-Konzerne zu Hause sind, haben die Titel-Zahl ständig erhöht. Eine Kettenreaktion, wie Hans von Trotha, Leiter des Nicolai Verlags, sagt: «Es wurden mehr Titel gemacht, um noch auf die Umsätze zu kommen.» Denn mit steigender Titelzahl sanken die Verkaufserlöse pro Buch. Hinzu kamen die Rabatte, die den Buchhandelsketten eingeräumt wurden: «Jemand in Buxtehude, der zwei Bücher ordert, bekommt nicht den gleichen Rabatt wie jemand, der zwei Paletten abnimmt», sagt Lunkewitz, macht aber auch klar, dass er da, «wo es sich für uns nicht lohnt, nicht mehr mitmacht».
Ein Bereich, der sich lohnt, ist das Taschenbuch, wie Lunkewitz und Conradi bestätigen. Das hat zwei Gründe: Zum einen kostet es weniger, zum anderen kommen viele Titel inzwischen so schnell vom Hardcover ins Taschenbuch, dass viele Leser darauf warten. Neben dem Trend zum Paperback zeichnet sich noch etwas anderes ab: eine Schärfung des Profils. Der Verteilungskampf und die Finanzlage führen dazu, dass sich jeder stärker auf seine Besonderheiten besinnt, um nicht, wie Rainer Nitsche es ausdrückt, in die «Kiepert-Falle» zu stolpern, wo man von der Tiefe zur Breite gegangen sei. Da Spezialisierung meist mit Kompetenz verbunden ist, ist das nicht das Schlechteste, was der Buchbranche passieren kann.