Wenn Feuer vom Himmel fällt, fürchten Menschen seit biblischen Zeiten das Ende der Welt. Wenn der Bildhauer Paul Grimm mit seiner dreieinhalb Meter hohen, brennenden Feuersäule durch Berlins Innenstadt fährt, fürchten Passanten, hier vielleicht etwas nicht ganz richtig verstanden zu haben.
Sie bleiben stehen und fragen den kleinen Mann in der blauen Hose und mit der riesigen Brille auf der Nase, was das denn sei. «Ich möchte zeigen, dass es am Menschen liegt, ob er das Feuer zum Segen oder zum Fluch werden lässt», erklärt er dann mit dem eindringlichen Tonfall eines Wanderpredigers. Die Passanten hören ihm gespannt zu. Manche höflich und geduldig, andere eher befremdet («sieht aus wie ein Grill»), manche durchaus interessiert. Als hätten sie sich das Weltende genau so vorgestellt.
Paul Grimm, 1926 in Waldbrunn-Fussingen bei Limburg geboren, hat an der Kunstakademie in Düsseldorf studiert - zusammen mit Joseph Beuys, von dessen «sozialer Plastik» er allerdings nicht allzu viel hält: «uferlos», «langweilig», ja «böse» nennt er Ideen wie die Fettecke. So etwas hätte schließlich zur Folge, dass sich nun jeder Künstler nennen könne, «zum Nachteil der soliden Künstler».
Grimm dagegen nennt sich seit 1966 «Erfinder der Feuerplastik». Eine künstlerische Form, die das starre Metall mit dem Lebendigen, Beweglichen des Feuers zu einer veränderlichen Skulptur der Gegensätze verschmelzen lässt. «Meine Erfindung ist vom Deutschen Patentamt in München unter der Nummer 2313 704 registriert», erwähnt er beiläufig. Immerhin schafften das nicht einmal die Erfinder des ersten handgemachten Feuers irgendwo in der afrikanischen Steppe.
Seine Aktion, für die er eine Edelstahlsäule mit oben austretender, gasbetriebener «Feuerblüte» auf einen kleinen, mit Flammenornamenten bemalten Anhänger befestigt hat, will aber - bei aller Distanzierung zu Joseph Beuys - durchaus politisch verstanden sein. Mit seiner «Kunst auf Rädern», wie er es liebevoll auf den Anhänger gepinselt hat, will er einen demokratischen Erkenntnisprozess in Form von flammenden Streitgesprächen und Geistesblitzen entzünden.
Vom Austausch mit anderen Künstlern, die sich dem Pyromanischen widmen, will er jedoch nicht allzu viel wissen. «Das gibt es immer wieder. Aber es soll niemand meinen, dass er das erfunden hat!» sagt er beinahe schon wie ein kleiner grollender Donnergott. Das Feuer, ein verflixt demokratisches Element mit fatalem Hang zum kriegerischen Unheil, ist eben schwer unter Kontrolle zu halten.
Mit noch einer weiteren Erfindung sei er seiner Zeit, wie er sagt, um Jahrzehnte voraus. «Gentechnische Lebenwesen» nennt er sie, Chimären aus Mensch und Tier, die irgendwann als zweckfreie Kunstwesen herumlaufen sollen. In einem mitgebrachten Ordner sind Skizzen zu sehen, die an Pablo Picassos Bild «Guernica» erinnern oder an Wandreliefs aus den sechziger Jahren. Mischwesen: Gab es die nicht schon in der Antike?
«Naja», wiegt er den Kopf, «aber man hatte doch den Begriff der Gentechnik noch gar nicht.» Sicher habe es Darstellungen des Minotaurus gegeben, sicherlich habe Hieronymus Bosch Monster geschaffen. «Man könnte sie als meine Vorläufer bezeichnen», sagt Grimm.
Aber darüber will er nun wirklich nicht streiten. Lieber jeden Passanten ein wenig zu einem besseren Menschen machen. Denn: «Der Übermensch ist genetisch schon vorhanden», sagt er. «Er ist nur noch nicht verwirklicht.»
Paul Grimm fährt heute von 10 Uhr an mit seiner Feuerplastik noch einmal durch die Berliner Innenstadt.