Anna im Stasiland

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Cosima Lutz

Eine Australierin besucht Berlin. Sie wandert durch den Osten, betrachtet die neue Mitte und die zwiespältige Gegenwart. Vier Mal, von 1987 bis 2000, suchte und fand Anna Funder die Spuren eines Überwachungsstaates, Bruchstücke von Liebesgeschichten, demontierte Denkmäler. Jetzt stellte sie im Berliner Australia Centre «Stasiland» vor - ihr erstes Buch.

Über die Stasi wurde und wird hierzulande viel gestritten. Die frühere Gauck-Behörde und der Historiker Hubertus Knabe entzweiten sich über «Der diskrete Charme der DDR», ehemalige Stasioffiziere brachten vor kurzem das Buch «Die Sicherheit: Zur Abwehrarbeit des MfS» heraus - für den Experten Joachim Walther ein «zynisches» Buch. Und dann kommt eine 35-jährige Blondine aus dem fernen Australien, sieht sich in der Hauptstadt um und schaltet in der «Märkischen Allgemeinen» eine Anzeige: «Suche: ehemalige Stasi-Offiziere und Inoffizielle Mitarbeiter zwecks Interview. Veröffentlichung auf Englisch, Anonymität und Diskretion garantiert.» Sie trifft sich mit MfS-Opfern und -Helfern, Prominenten und namenlosen Verlierern und bietet dem englischsprachigen Publikum ihre ganz eigene Deutung dieses «Stasilands» an.

Frechheit siegt, möchte man sagen. Aber ganz so einfach hat es sich die in Melbourne geborene Juristin denn doch nicht gemacht. Sie würde es nicht wagen, ihr von berührenden wie gewitzten Episoden durchzogenes, wie ein Roman komponiertes Buch als «Sachbuch» zu bezeichnen, hätte sie nicht gründlich recherchiert. Dennoch genehmigt sie sich die Subjektivität einer Reporterin. Vertraut vielsagenden Details und simplen Fragen wie «warum nicht?», mit denen sie etwa Karl-Eduard von Schnitzler zur Selbstdemontage reizt.

«Australien und Ost-Berlin haben vieles gemeinsam», sagt die 35-Jährige. «In Australien haben wir auch immer das Gefühl, am Rande von etwas viel Wichtigerem zu sein.» An Rande der Welt, wo die Menschen im Mittelalter die Monster wähnten. «Mein Buch ist so wahr wie die Geschichten, die man mir erzählt hat», lächelt sie. Bleibt zu hoffen, dass sich bald ein deutscher Verlag des Buches annimmt.