Ihre Heimat war das Hochland von Anatolien, ihre Hauptstadt Hattuscha galt im zweiten Jahrhundert vor Christus als die technisch am höchsten zivilisierte Stadt der Welt: Die Hethiter, das sagenumwobene Volk, das so mächtig war, dass selbst Ägypten die Waffen streckte.
Die große Hethiter-Ausstellung, die von morgen an im Gropius-Bau zu sehen ist, wird vielen Berliner eine Hochkultur neu ins Bewusstsein rücken, die für einen großen Teil der Hauptstadtbewohner geradezu identitätsstiftend ist. Berlins Türken sind stolz auf ihre vermeintlichen Vorfahren. Auch wenn ihre direkte Herkunft von den Hethitern eher umstritten ist. «Wir sind alle Enkel der Hethiter», sagt die türkische Künstlerin Yildiz Grönlund, die seit einiger Zeit die Kunstszene der Stadt mit ihren ebenso farbintensiven wie assoziationsreichen Bildern bereichert. Doch während sie die Eindrücke von ihrer Heimat an der Ägäis verarbeitet, lässt sich der Schriftsteller Kemal Kurt bewusst von der anatolischen Hochkultur inspirieren. Der seit 1975 in Berlin lebende Autor hat sich mit Kinderbüchern und Romanen einen Namen gemacht. Im August erscheint im Alt-Berliner Verlag sein Jugendroman «Der Sonnentrinker» (Berlin, 220 S., 12,50 Euro), der die Beziehung zwischen einem deutschen, einem afrikanischen und einem türkischen Jugendlichen in Berlin schildert. Demnächst will er sich endlich den Hethitern widmen. «Ich plane einen Kriminalroman, in dem die Hethiter eine wichtige Rolle spielen», erzählt er. Der Held soll ein Archäologe sein.
Lange waren die Hethiter dem wissenschaftlichen Gedächtnis entglitten - bis zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts die Archäologen atemberaubende Spuren wieder entdeckten. In den dreißiger Jahren waren deutsche Wissenschaftler federführend bei den Ausgrabungen in Anatolien. Zahlreiche Keilschrifttafeln oder Fragmente kamen zur Restaurierung und wissenschaftlichen Bearbeitung nach Berlin. Der Schriftsteller Aras Ören weiß von einem Gerücht, wonach einige bis heute noch nicht wieder in die Türkei gelangt sind. «In den achtziger Jahren haben wir die letzte große Marge zurückgegeben», weist der stellvertretende Direktor des Vorderasiatischen Museums Ralf B. Wartke die Vorwürfe zurück. Zu den besonders kostbaren Beständen seines Hauses zählen drei Splitter des ältesten bekannten Friedensvertrages der Welt zwischen Ramses II. und dem Hethiterkönig Hattusili III.
Im Berliner Alltag begegnet man den Hethitern in einem Kreuzberger Verlag. «Hitit» - der Hethiter - taufte Verlagschef Ibrahim Aslan sein Unternehmen: «Eine Ehrerbietung an ihre großen kulturellen Leistungen.» Sein Geschäftsemblem zeigt einen Elch, nachempfunden einer hethitischen Skulptur, die in Ankara steht.
Der Bildhauer Mehmet Aksoy schließlich, auf dessen Plastiken man sonst in Kreuzberg stößt, brachte die Hethiter nach Charlottenburg - in das Restaurant «Angora» (hethit. Name für Ankara) in der Schlüterstraße und in das «Hitit» in der Knobelsdorffstraße. Auf Aksoys Wandreliefs aus Sandstein sieht man die Königsfamilie gewöhnliche Dinge verrichten: Ankleiden, kämmen oder essen. Ein Blick auf königliche Feste oder den Wettergott ist auch gestattet. Weil die Türkei weit mehr als «Orient, Säbel und Sichel» verkörpert, entschied man im Hitit, sich den Namen der altanatolischen Bevölkerung zu geben und hat deren Symbole gleich noch beim Mobiliar verwendet. Etwa die Zwillinge, die die Frauen als Ohrschmuck trugen und Zusammengehörigkeit symbolisieren. Man schmückt sich eben gerne mit den Hethitern.