Ein überraschender Fund ist jetzt im Cooper-Hewitt-Museum in New York gemacht worden: Im Lager des zur Smithsonian-Stiftung gehörenden Nationalmuseums für Design ist eine Zeichnung des italienischen Renaissance-Künstlers Michelangelo Buonarotti (1475 - 1564) aufgetaucht. Die mit Kreide und Wasserfarben angefertigte Skizze soll ein Entwurf für das Grabmal der Medici in Florenz sein und wird auf zehn bis zwölf Millionen Euro geschätzt.
Die Zeichnung hatte das National Design Museum 1942 beim Ankauf der Kunstsammlung des britischen Lord Amherst of Hackney erworben. Der Preis für das Paket betrug nach heutigem Wert etwa 1440 Euro. Damals war niemandem klar, dass die einem «unbekannten Italiener» zugeschriebene Skizze vom bedeutendsten Künstler der Hochrenaissance stammt.
Die etwa 43 Zentimeter hohe und 25 Zentimeter breite Skizze wurde bereits im April 2002 bei einer Durchsicht der Lagerbestände in einem Karton mit mehreren anderen Zeichnungen gefunden. Sir Timothy Clifford, Direktor des Schottischen Nationalmuseums, stöberte während seines Urlaubs in dem Konvolut und war sofort überzeugt, eine Michelangelo-Zeichnung in Händen zu halten. Diese Zuschreibung ist von Experten in New York und London bestätigt worden. Für den Direktor des Cooper-Hewitt-Museums, Paul Thompson, ist es «eine Entdeckung, die man nur ein Mal im Leben macht.» Amerikanische Medien haben Kritik am Museum geäußert, weil die Blätter schon oft gesichtet wurden, aber kein Experte sie richtig einschätzen konnte.
Die bisher teuersten Michelangelo-Zeichnungen sind der «Auferstandene Christus», der am 4. Juli 2000 beim Auktionshaus Christie's in London für umgerechnet etwa 11,3 Millionen Euro versteigert wurde und die «Trauernde Frau», die gut ein Jahr später auf einer Versteigerung bei Sotheby's in London umgerechnet knapp 8,9 Millionen Euro brachte. Der Neufund ist eine von höchstens zehn Zeichnungen Michelangelos, die sich in den USA befinden.
Werke von Michelangelo sind auf dem Kunstmarkt äußerst selten geworden, beinahe das gesamte Oeuvre ist in Museumsbesitz. Michelangelo stellt für viele Interessierte unter den Alten Meistern den wichtigsten Künstler schlechthin dar und wird gern mit Bezeichnungen wie «Titan» und dergleichen benannt. Er war Zeichner, Maler, Bildhauer und Architekt, ein Allround-Genie der Renaissance.
Zu den bekanntesten Werken des zu Depressionen neigenden Meisters gehört der Marmor-David vor dem Alten Rathaus von Florenz. Dieses Statue ist ein politisches Kunstwerk, das die Wachsamkeit der Republik gegenüber Tyrannen verkörpert. Außerdem schuf Michelangelo die berühmte «Pietà» sowie die Deckengemälde in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan. Die Fertigstellung des Petersdom in Rom und seiner Kuppel war seine größte Arbeit, deren Abschluss er nicht mehr erlebte.
Michelangelos späte Werke sind oft unvollendet geblieben. Über die Gründe ist viel spekuliert worden. Die plausibelste Erklärung lieferte der deutsche Kunsthistoriker Herbert von Einem, der sie als «unvollendbar» bezeichnete: Die Idee war größer als selbst des «Titanen» künstlerische Kraft.