Gefährliche Kombi: Reggae und Caipirinha

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Uwe Sauerwein

Selbst wenn es schneien würde: Heute muss einfach ein «Caipi» her. Schließlich spielt Gilberto Gil, die Galionsfigur der brasilianischen Musik. Und das eisgekühlte, ziemlich kräftige Nationalgetränk, der Caipirinha, heizt vielen Besuchern der Museumsinsel schon vor dem Konzert kräftig ein. Angesichts der Songs, die an diesem Abend erklingen, wären allerdings stimulierende Rauchwaren mindestens ebenso angebracht. Denn Gil, dessen einst ergrautes Haar nun wieder in perfekt gefärbtem Schwarz schimmert, ehrt den Schutzpatron aller Rastafaris, Bob Marley.

In den sechziger Jahren, im Londoner Exil, hat der wegen seines politischen Engagements zuhause in Ungnade gefallene Gil den Reggaestar aus Jamaika kennen gelernt. Beide Musiker, die in der Heimat unbequeme kulturelle Pioniere waren, blieben bis zu Marleys Tod 1981 Freunde. Gil, Vater der brasilianischen «Tropicalismo»-Bewegung, hatte schon immer einige Marley-Songs im Repertoire, sein Hit «Nao Chore Mais» von 1977 ist eine Adaption von «No Woman No Cry». Nun aber widmet der Mann aus Bahia seinem Bruder aus Kingston mit «Kaya N'Dan Gaya» ein ganzes Album und natürlich live fast den gesamten Abend.

Jede Reggaeband zwischen Kapstadt und Hammerfest, die etwas auf sich hält, hat Marley-Songs im Programm. Dass der 60-jährige Gilberto Gil Titeln wie «Buffalo Soldier» oder dem wunderschönen Liebeslied «Waiting in Vain» eine persönliche, sehr brasilianische Note verleiht, liegt nicht nur an den portugiesisch gesungenen Zeilen. Samba-Perkussion, Akkordeon, Flöte und gar ein Banjo spielen eine wichtige Rolle in der 12-köpfigen Band.

Mancher Marley-Hit wie der Opener «Time Will Tell» kommt fast gemütlich rüber, dann wieder drückt die Combo mit den drei Vokalistinnen tempomäßig heftig auf die Tube, sodass man fast schon in Ska-Bereiche vordringt. Gil schlägt auf der Gitarre den Rhythmus, als hätte er nie etwas anderes als Reggae gespielt. Tatsächlich ist die einstige Protestmusik gegen das jamaikanische Establishment auch in Brasilien längst fester Bestandteil der Popmusik.

Wie zum Beweis spielt Gil eigene Samba-Stücke sowie das weltbekannte «Girl of Ipanema» im Reggae-Gewand, was die Partylaune gerade unter den vielen Landsleuten im Publikum zusätzlich steigert. «Caipi» und Reggae ergänzen sich offenkundig vortrefflich. Diesmal kennt die deutsch-brasilianische Begegnung nur Gewinner. Apropos: Gilberto Gil freut sich schon jetzt auf das Endspiel Deutschland-Brasilien 2006, natürlich im Berliner Olympiastadion.