Eine fröhliche Mariachi-Band empfängt die Besucher mit Trompeten, Geigen, Gitarren und riesigen Sombreros, die gegen Nieselregen schützen. Kurz vor Konzertbeginn wendet sich das Wetter: Die «Latino Classics» erklingen stilgemäß in lauer Sommerluft auf dem Gendarmenmarkt. «Springen Sie auf, tanzen Sie!», fordert Gerhard Kämpfe, der Direktor des «Classic Open Air»-Festivals, das Publikum auf. «Später vielleicht», denken die Zuhörer und bewundern erst einmal, was auf der Bühne alles geboten wird. Tango- und Salsakünstler teilen sich den Abend.
Virtuos und gefühlvoll spielt Lothar Hensel den ersten Satz aus Astor Piazzollas Bandoneonkonzert. Er hat den Solopart öfter gespielt als der Tangokönig selbst. Matias Tosi singt Tangoballaden mit sonorer Stimme. In stolzer Haltung, mit Fliege und Netzstrümpfen präsentiert sich das Tangopaar Natalia Games und Gabriel Angio. Elegant und sportlich wirken die schnellen Schritte mit ineinander verschlungenen Beinen, die wilden Drehungen und gewagten Hebefiguren.
Tief dekolletiert und hoch geschlitzt sorgen die Kleider der Dame für die Prise Erotik. Die beiden Argentinier beeindrucken mit ihrer Show. Die intime, leidenschaftlich brodelnde Atmosphäre der schummerigen Tangobars von Buenos Aires können sie freilich nicht auf den Gendarmenmarkt zaubern.
Da hat es die ausgelassene Salsafraktion leichter. Die acht wilden Tänzer von Rafael Munoz' Dance Company füllen die Festivalbühne besser aus. In Formation werfen sie die Arme in die Luft, schütteln die Schultern, lassen die Hüften kreisen und sprühen vor Lebensfreude.
Das Deutsche Filmorchester Babelsberg spielt sich in Stimmung. Dirigent Scott Lawton dreht am rhythmischen Schwungrad. Für die Salsanummern ist im Wesentlichen die Band «La Nota» zuständig. Die Orchestermusiker bescheiden sich mit Bläsereinwürfen oder samtiger Streichergrundierung. Einzelne Babelsberger lassen sich aber doch vom Salsafieber anstecken, überraschen mit jazzigen Soli.
Der lateinamerikanische Abend hat einen Star: Eduardo Vilegas. Seine rauchige Stimme hat Charakter und Temperament. Vor allem aber sorgt der Entertainer für Stimmung. Mit ansteckender Lebendigkeit animiert er das Publikum zum Mitklatschen und Tanzen. Am Ende sind fast alle auf den Beinen. Herren in schwarzen Anzügen wackeln mit den Hüften. Während auf der Bühne die Tangokünstler in den Salsarhythmus einstimmen, fliegen auf dem Gendarmenmarkt vor Vergnügen die Sitzkissen.