Laurenz Meyer hat seiner Partei und der Nation in schöner Offenheit einen bedenkenswerten Satz beschert. Er sagte: «Wir müssen so reden, dass uns die Leute an den Stammtischen verstehen.» Auf dem eigenen geistigen Niveau kann der CDU-Generalsekretär Mitbürger, die sich ihre Meinung bei Bier oder Wein bilden - dafür steht ja die Metapher «Stammtisch» - offenbar nicht erreichen, aber er gibt sich Mühe, sie für seine Sache zu gewinnen, damit er zu ihrem Besten wirken kann. Wir dürfen von einer «causa finalis» sprechen, auf Deutsch von einem «bewirkenden Grund».
Die Bedingungen der Erkenntnis sind ein komplizierter Stoff. Auch der menschenfreundliche Vorschlag, eine Behauptung so lange gelten zu lassen, wie kein Fehler erkennbar ist, statt sie auf Teufel-komm-heraus untermauern zu wollen, schafft die Schwierigkeiten nicht aus dem Weg. Die sogenannte «Falsifikation» sorgt nur für freiere Gangart in Richtung Ziel.
Ohne einen notwendigen Grund lässt sich, wie das Beiwort sagt, kein Sachverhalt beweisen. Ein hinreichender Grund ist dagegen austauschbar, sobald sich ein gleichwertiger einstellt. Daraus ergeben sich vier Unterarten von Gründen - notwendige, aber nicht hinreichende Gründe, hinreichende Gründe ohne das Merkmal der Notwendigkeit, unverzichtbare Gründe, die zugleich hinreichen, und Gründe, die weder notwendig noch hinreichend sind, weshalb sie zu nichts führen. Diese letztgenannten Gründe nennen wir besser Überzeugungen. Sie muss niemand beweisen. Mit ihnen aber macht man Politik.
Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes «überzeugen» überrascht. Noch in Grimmelshausens «Simplicius Simplicissimus» wird ein «überzeugter Mörder» aufs Rad geflochten und wir sollen in dem Mann nicht etwa einen Täter aus Überzeugung sehen, sondern einen durch Zeugen überführten Verbrecher. Gut hundert Jahre später ist daraus unser Begriff geworden. Jeder mündliche Vortrag wolle den Zuhörer glauben machen, er überzeuge ihn, meint Goethe. Zuviel der Aufregung über den harmlosen, ohne Frage gut gemeinten Satz eines Parteisekretärs?
Es geht nicht so sehr um Laurenz Meyer, sondern um eine unter Politikern verbreitete Denkungsart. Meyers SPD-Kollege Franz Müntefering denkt da ganz wie er. Er will, so sagt er gern, die Menschen «abholen» - woher, das versteht sich von selber, nämlich aus dem Lager der Gegner oder dem der Nichtwähler, jedenfalls von dort, wohin die Menschen seiner Meinung nicht gehören. Das klingt nach dem fremden Onkel, vor dem besorgte Eltern ihre Kinder warnen. Das Thema mündet, wie man sieht, aus dem Hundertsten ins Tausendste.