Erfahrene «Classic Open Air»-Besucher haben das Regencape immer dabei. Wirkliche Operettenfans lassen sich den Abend mit der Staatsoperette Dresden auf dem Gendarmenmarkt ohnehin nicht vernieseln. Der Wiener Wolfgang Dosch, seit zehn Jahren Sänger und Dramaturg an der Staatsoperette, moderiert den Abend mit fröhlichen Sprüchen. Etwa zehn verschiedene Definitionen für die Operette hat er parat. Wie: Operette ist das Lächeln auf dem Antlitz der Kunst. Oder: Operette ist die mögliche Leichtigkeit des Seins.
Das Ensemble gibt sich alle Mühe, die Aussagen klingend zu unterstreichen. Das Orchester unter der Leitung des Chefdirigenten Volker M. Plangg vermittelt sensibel zwischen ausgelassenem Frohsinn und leiser Melancholie, zwischen eleganten Walzern, strammen Polkas und lodernden Czardasklängen. Nicht nur Operetten, auch Musicals, musikalische Lustspiele und Ballette, neuerdings auch Konzerte und Spielopern werden in Dresden-Leuben gespielt. Doch beim Berliner Gastspiel besinnt sich die Staatsoperette gern auf ihre Kernaufgabe. Nach der Schließung des Metropol-Theaters ist die Zahl der Berliner Besucher gestiegen.
Das Solistenensemble präsentiert sich in guter Form. Selbstbewusst füllt Annette Koch die Hosenrolle des Grafen Orlofsky in der «Fledermaus» aus. Steif und brüchig bewegt sich die Automatenpuppe Olympia - was man von Isabella Ma-Zachs Stimme nicht behaupten kann. Mit traumhafter Sicherheit bewältigt die Koloratursopranistin ihre Bravourarie.
Bei den großen Ensembles stehen die Gesangssolisten alle recht stur auf der großen Bühne. Von einem eingespielten Operettenteam hätte man in der Hinsicht mehr erwarten können. Als wütender Ollendorf gefällt Olaf Plassa besser als mit dem Auftrittslied des Barinkay. Barry Coleman ist ein schmachtender, schmelzender Operettentenor alter Schule. Er braucht für seine großen Arien etwas mehr Zeit als das flotte Orchester. Der kleine, 22-köpfige Chor der Staatsoperette hinterlässt keinen tiefen Eindruck.
Besonders schwer hat es das Ballett. Wilde Kosaken und säbelrasselnde Husaren bewegen sich auf regennassem Boden. Der Moderator schrubbt die Bühne. Eine Tänzerin landet dann doch auf dem Po. Nur die Zuschauer werden durch einen Regenbogen entschädigt.
Zum Ende hin bei «Hoffmanns Erzählungen» lahmt die Dramaturgie. Doch die Zugaben, «Im Feuerstrom der Reben» und die «Donner und Blitz»-Polka, fordern dann aber doch noch zum Mitklatschen heraus. Martina Helmig