Familie im Graben

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Peter Zander

Das klang schon mal ganz anders. «Wir haben nicht gegen den Feind gekämpft», hieß es 1986 in Oliver Stones Vietnam-Film «Platoon», «wir haben gegen uns gekämpft. Der Feind war in uns.» Das fasste die überwiegend kritischen Kriegsfilme der siebziger, achtziger Jahre zusammen. Davon will der jüngere Kriegsfilm, der seit Spielbergs «Soldat James Ryan» einen neuen, wunderlichen Boom erlebt, nichts mehr wissen. Immer wieder gibt es hier, fast leitmotivisch, die Versicherung, dass man für die gute Sache kämpft. Wohl auch deswegen fällt die Wahl überwiegend auf den Zweiten Weltkrieg, wo die Rolle der Amerikaner über jeden Zweifel erhaben ist.

Was aber vor allem auffällt, ist, dass dabei auch die Rolle von Minderheiten in der Armee neu thematisiert wird. In «Das Tribunal», seit fünf Wochen in unseren Kinos, wird die Rassendiskriminierung in der Army erstaunlich offen dargestellt. Ein schwarzer Pilot wird in einem deutschen Kriegsgefangenenlager von den eigenen Mannen ans Messer geliefert - die Nazis sind nur Erfüllungsgehilfen, als sie ihn hinrichten. Aber ein weißer Lieutenant verteidigt den zweiten Schwarzen im Stalag. Vor den Amis. Und vor den Nazis. Diese eine, löbliche Ausnahme rückt das lädierte Bild von der Army wieder zurecht. Erstaunlicherweise ist der Gute nicht der Star des Films, Bruce Willis. Der spielt vielmehr eine sehr zwielichtige Rolle. Könnte den Schwarzen womöglich selbst auf dem Gewissen haben. Aber auch das, so unglaublich das klingen mag, geschieht für die gute Sache.

John Woos Schlachtenepos «Windtalkers» (Kinostart: 1. August) beleuchtet erstmals die Rolle der Navajo-Indianer als Funker im Zweiten Weltkrieg. Der Code in ihrer Stammessprache wurde nie entschlüsselt und gilt als erfolgreichster der gesamten Militärgeschichte. Dennoch hatten die Navajos unter Diskriminierung zu leiden - auch hier von Seiten des Stars, Nicholas Cage. Der macht allerdings eine Wandlung durch und scheint am Ende gar, in einem überaus pathetischen Opfertod, alle Schuld, die je an Indianern begangen wurde, symbolisch auf sich zu nehmen.

Der Film, der in dieser Hinsicht am weitesten geht, kommt ausgerechnet heute, zum Unabhängigkeitstag der USA, in unsere Kinos: «We Were Soldiers», der auf deutsch «Wir waren Helden» heißt und eine Interpretation gleich mitliefert. Ein Film nach dem Tatsachenbericht von Lieutenant Harold G. Moore und dem Kriegsreporter Joseph Galloway über das erste große Gefecht der Amerikaner in Vietnam 1965. Hier nehmen nicht nur jene ungewöhnlich breiten Raum ein, die sonst gern ganz vergessen werden: die Frauen, die mit der Angst um ihre Männer und dem Schmerz über deren Tod allein gelassen werden. Nein, Mel Gibson als Col. Moore setzt hier zu einer Rede an, die sich - eine erstaunliche Parallele zu «Windtalkers» - auf eine indianische Philosophie beruft und in der Quintessenz lautet: Wir müssen uns als eine große Familie begreifen, nur so können wir gewinnen.

Natürlich sind all diese Filme - wie auch Spielbergs Kriegs-TV-Dokuserie mit dem bezeichnenden Titel «Band of Brothers» - vor dem 11. September entstanden. Natürlich ist es reiner Zufall, dass sie jetzt nach und nach ins Kino kommen. Dennoch passt die Botschaft, die ihnen eigen ist, bestens zur derzeitigen Stimmungslage in den USA. Die Terroranschläge und die Vergeltungsschläge, die sogleich als «Krieg gegen den Terror» deklariert wurden, führten zu einer übergreifenden Solidaritätswelle. Vietnam hat die Nation zerrissen, der 11. September führte zu einem neuen, Rassen und Religionen übergreifenden Gemeinschaftsgefühl. Wir sind eine Familie - und alle, Männer wie Frauen, Indianer wie Schwarze, gehören dazu.

Man muss Randall Wallace zugute halten, dass es ihm um eine differenzierte Darstellung des Krieges ging. Der Regisseur hat zwar das Drehbuch zu «Pearl Harbor» verfasst, der den Krieg wie ein munteres Videogame inszenierte; legt aber Wert darauf, «dass ich nicht das Skript zum fertigen Film geschrieben habe, sondern zu einem unverfälschten Drama, das Pearl Harbor' hätte werden müssen». «Wir waren Helden» zeigt auch den Schmerz einer vietnamesischen Witwe - und würdigt schon im Vorspann ausdrücklich die Opfer auf deren Seite.

Damit scheint nun auch die tiefste Wunde im amerikanischen Selbstbewusstsein geschlossen, das Vietnam-Trauma zu den Akten gelegt zu sein. Im Bund gegen den aktuellen Terror gibt es keine Gegner mehr. Nur noch eine große Familie. Aktuelle Filmkritiken lesen Sie in unserer Beilage «Berlin live»