Erst fährt man per Fahrrad durch New York und dann eine Tram durch Karlsruhe. Oder man greift in ein echtes Blumenbeet voller (unsichtbarer) Sensoren, woraufhin an der Wand gegenüber ein künstlicher Dschungel wächst. Bis jemand den Kaktus hinten links berührt: Dann kommen Killerviren und machen Tabula rasa mit der wuchernden virtuellen Welt.
Die Ausstellung «Navigate@art.» im Automobil Forum Unter den Linden wird hoffentlich Scharen locken. Selten stand so viel vergnügliche und erzählerische Medienkunst in einem Berliner Raum. Zehn Künstler - darunter Name June Paik, Jeffrey Shaw und Tony Oursler - zeigen Installationen, die mit dem Betrachter kommunizieren wollen. Alba d'Urbano etwa fordert keck «Touch me». Berührt man ihr Porträt auf dem Bildschirm, zerfällt das Bild. Dahinter erscheint das Gesicht des Betrachters, den eine Kamera zuvor diskret aufgenommen hat.
Masken, Maskeraden, Wechsel der Identitäten: Das bewegte Bild scheint geradezu perfekt für solche Spiele, deren Ausgang nur der Künstler kennt. Er lässt den Betrachter durch seine Arbeit navigieren - entweder physisch, wie es der gebürtige Australier Jeffrey Shaw mit einem Fahrradtrainer tut. Ganz real radelt der Betrachter auf der Stelle, während vor ihm «The Legible City» vorbeizieht, simulierte Straßenzüge aus New York, Amsterdam - und Karlsruhe.
Schon wieder Karlsruhe? Von dort, vom Zentrum für Kunst und Medien (ZKM), kommen die Kuratoren der Ausstellung. Das ZKM agiert als Schnittstelle neuer Medien im künstlerischen Kontext: Wer immer mit dem Themen arbeitet, kommt daran nicht vorbei. So war Shane Cooper, dessen Installation «Parasight» täglich neue Besucherbilder aufnimmt und verfremdet, ZKM-Gastkünstler. Wolfgang Münch, der mit Kiyoshi Furukawa die Arbeit «Bubbles» zeigt, hat dort als Dozent gelehrt. Seine virtuellen Seifenblasen reagieren auf Berührungen. «The Interactive Plant Growing» von Laurent Mignonneau und Christa Sommerer, jene Arbeit aus echtem und PC-generiertem Grünzeug, war im Karlsruher Medienmuseum ausgestellt.
Zusammen mit einer TV-Wand von Nam June Paik, Pionier aller Videokunst, einem pendelnden Fernseher von Dieter Kiessling und einer jener frappierenden Projektionen, mit denen Tony Oursler Stoffpuppen zum Leben erweckt, komplettiert sie den Blick auf die Medienkunst der vergangenen Jahre. Zumindest auf jenen Part, der die Möglichkeiten der Technologie eher spielerisch auslotet. Spröde, schwer zugängliche Arbeiten haben den Weg in die Ausstellung nicht gefunden. Das Automobil Forum, in dem alles auf gehobenes Entertainment ausgerichtet ist, wäre dafür auch der unpassende Ort.
Automobil Forum, Unter den Linden 21. Bis 8. 9., Mo. - Fr. 9 - 20 Uhr, Sa., So., 10 - 18 Uhr.