Eheliche Verschleißerscheinungen

Alison und Peadar Gill leben in Dublin. Sie haben ein Reihenhaus, ein Einkommen, ein Auto, drei Kinder. Es geht ihnen gut, doch an große Sprünge ist nicht zu denken. Als Höhepunkt ihres Jahres verbringen sie fünf Tage im «Fitzgeralds», einem gehobenen Hotel an der irischen Südostküste. Sie freuen sich darauf so sehr, dass das Gelingen des Urlaubs zum Kraftakt wird. Ein falsches Wort würde genügen, um die familiäre Idylle zu zerstören.

Genau das geschieht aber beinahe in «Die Versuchung», dem neuen Roman des Iren Dermot Bolger. Zweifel haben sich eingeschlichen in Alison, die Erzählerin. Sie ringt mit den Verschleißerscheinungen von fast zwanzig Ehejahren und dem Schrecken, den ihr eine Zyste in der Brust eingejagt hat. Da trifft Alison im «Fitzgeralds» auf Chris Conway, einen Jugendfreund, mit dem sie vor zwanzig Jahren eine Affäre hatte. Chris verkörpert für sie ihre verpassten Chancen und ihre vergangene Jugend.

Bolger schafft es ohne langweilig oder sentimental zu werden, seine Leser am Kraftakt des Elterndaseins teilnehmen zu lassen. «Die Versuchung» ist ein glaubwürdiger Roman über die Lebensmitte. lcu