Reden, reden, nur nicht miteinander: «Heißes Wasser für alle» im Podewil

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Sogar der Tiger kann nicht mehr. Die Luft ist raus. Lebensmüde sackt der weiße Kinnbart zu Boden, und bald wird nur noch ein zerknitterter Haufen Restmüll von ihm übrig bleiben. Bei denen, die noch versuchen, ihn zu retten, ist es längst so weit. Die Träume, die in der Seele verfaulen, haben es schon vor ewigen Zeiten aufgegeben, ihre Erfüllung anzumahnen. Beim Tiger könnte noch Heißluft helfen, bei den anderen gar nichts mehr, heiße Luft produzieren sie mit ihrem leeren Gerde selber den ganzen Tag.

Es ist ein trauriges Quintett, das Gesine Danckwarts neueste Produktion «Heißes Wasser für alle» bevölkert: Vier verkrüppelte Menschenseelen und der sieben Meter große aufblasbare Esso-Tiger, der seine Pranken über die gesamte Bühnenbreite legt. Im Rahmen des Festivals «reich & berühmt» ist das Stück, das als Koproduktion mit dem Wiener Schauspielhaus entstand, jetzt als Erstaufführung im Podewil zu sehen.

Für ihr Debüt «Girlsnightout» kassierte die junge Berliner Autorin 1999 viel Lob, und obwohl «Heißes Wasser für alle» bereits ihr achtes Stück ist, bleibt sie ihrem alten Thema treu: Der Sinnsuche des modernen Menschen, der eigentlich alles hat, aber mehr will. Zumindest nicht weniger als die anderen. Denn es geht nicht nur um ein Abgleichen der eigenen Wünsche mit der Realität, sondern auch um die ständig notwendige Neuerfindung des Ich in der Abgrenzung zum anderen.

Da sitzen die vier (Elisabeth Kopp, Alexandra Schmid, Hary Prinz und Gregor Seberg) nun in ihren Plastiksofas zwischen ihren Plastikpflanzen mit ihren Plastikbechern und reden, reden, reden. Gegen die Angst, die Einsamkeit, nicht übereinander, aber auch nicht miteinander. Dialog ist nicht geplant.

Nur der Tiger schweigt. Am Anfang ein starker Riese, hat er am Ende so viel Luft verloren und so viele Plastikfalten produziert, dass er von vorne aussieht, als habe er jetzt ganz einfach müde die Augen geschlossen. Und dazwischen nichts als Sehnsucht. kap

Podewil, Klosterstr. (Mitte), Tel.: 24 74 97 77. Heute, 20 Uhr.