Zuerst steht sie nur da auf der Bühne der kleinen Tempodrom-Arena und rezitiert auf Deutsch ein Gedicht, angestrahlt durch den flimmernden Lichtstrahl eines 16-Millimeter-Filmprojektors. Dann geht sie zu ihrem Cello und bezaubert mit ihrer Band eine späte Stunde lang durch eine so romantische wie skurrile Musik, die Pop ist und sich doch jeder nüchternen Kategorisierung entzieht. Die kanadische Musikerin Jorane breitet einen Soundtrack für imaginäre Filme aus, in dem sich Jazz und Folk, Rock und Klassik, Klezmer und New-Age-Sounds verdichten.
Die 25jährige Sängerin und Cellistin singt ihre Lieder in einer lautmalerischen Phantasiesprache. Sie gibt Träumen Gestalt. Sie ist eine Illusionistin der Klänge. Klavier und Gitarre waren lange Zeit ihr bevorzugtes Ausdrucksmittel. Erst mit 19 Jahren entdeckte Jorane das Cello, dessen imaginäre Klangfarben und perkussive Möglichkeiten das rechte Vehikel für ihren intensiven Gesang bietet.
Joranes bilderreiche Musik ist wie geschaffen für das Kino. So nimmt es nicht Wunder, dass sie dem norwegischen Regisseur Ole Bornedal für sein Drama «I Am Dina» einen Soundtrack komponiert hat. Gerade arbeitet sie an der Musik für den neuen Film von Oscar Röhler. Und es ist kein Zufall, dass sie ihr zweites Album, das nun auch bei uns veröffentlicht wurde, «16 mm» (Universal) getauft hat.
Cellist James Darling, Kontrabassist Thomas Babin, Schlagzeuger Alexis Martin und die Sängerin Geneviève Jodoin stärken der zierlichen Klangzauberin bei ihrem Berlin-Debüt den Rücken. Sie spielen sich immer neue Ideen zu, sie schüren Emotionen, ja, sie machen sogar vor Hardrock-Zitaten nicht Halt. Während die Platte noch von mysteriöser Leichtigkeit und filigranem Charme gezeichnet ist, entwickelt Joranes Musik im Konzert elementare Kraft. Sensible Sprödigkeit wechselt mit übermütigen Ausbrüchen. Das erinnert ein wenig an Tori Amos, an Kate Bush, ja sogar an Laurie Anderson. Jorane auf Platte ist durchaus imponierend. Jorane im Konzert wird zu einem einzigartigen Erlebnis. pem