Als «Boshaftigkeit» bezeichnet Günter Berg, Suhrkamp-Verlagsleiter, die von FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher gegen Martin Walser und dessen neuen Roman «Tod eines Kritikers» erhobenen Vorwürfe. Elmar Krekeler sprach mit Günter Berg über Walsers Buch und Suhrkamps Entscheidung, es zu verlegen.
In welchem Zustand ist denn das Manuskript eigentlich? Ist es überhaupt zitierfähig?
Günter Berg: Es war nicht zitierfähig, es ist zitiert worden. Damit ist es leider in einem Zustand in der Welt, in dem wir es nie in der Welt haben wollten.
Für Frank Schirrmacher ist Walsers Roman ein Dokument des Hasses, eine Exekution und antisemitisch. Warum haben Sie dieses Buch eigentlich gemacht?
Martin Walser hat einen Roman geschrieben. Dieser Roman beschäftigt sich mit dem Literaturbetrieb in diesem Land, damit, was dieser Betrieb mit einem Autor macht. Es geht in diesem Buch ja noch nicht einmal zentral um den Kritiker, der wird ja auch im Gegensatz zum zugegeben eher reißerischen Titel gar nicht umgebracht. Es ist die Zusammenfassung der Befindlichkeit eines Autors nach Jahrzehnten in diesem Kulturbetrieb. Noch einmal: Es handelt sich bei diesem Buch um Literatur. Romanfiguren haben immer Vorbilder in der Realität. Literatur mit Realität abzugleichen hat nichts mit literarischer Kritik zu tun, sondern mit Boshaftigkeit.
Hatten Sie nicht irgendwann das Gefühl: Das können wir nicht machen?
Wir sind ein Verlag, keine Zensurbehörde, noch nicht einmal Kritiker. Wir müssen Autoren beraten, unterstützen, hinweisen, ihre Texte gründlich lektorieren. Es gab bei uns natürlich, wie bei jedem Manuskript, Diskussionen. Den Generalbass Antisemitismus hat es dabei aber nicht gegeben.
Aber man kann den Roman immerhin so lesen . . .
Martin Walser ist doch nicht der Möllemann der deutschen Literatur. Und in diese Rolle kann ihn auch Frank Schirrmacher nicht drängen. Er kommt jetzt mit dem populärsten Vorwurf, den man einem Buch derzeit machen kann, statt abzuwarten, bis es gelesen werden kann. Dann hätte auch der Verlag ganz anders reagieren können. So aber wird der Roman wohl auf die Frage gelesen «Antisemitisch oder nicht?»
Was passiert denn jetzt weiter mit dem Buch?
Wir werden im Prinzip damit verfahren wie geplant. Wir müssen ja den Eindruck vermeiden, dass das Ganze eine zynische Marketing-Aktion war. Sicher werden wir versuchen, das Erscheinen des Buches von August auf Juni vorzuziehen, werden aber dem Drängen des Autors, es jetzt sofort zu publizieren, einen Moment widerstehen. Ansonsten werden wir dem Buch keine Sonderbehandlung angedeihen lassen, auch keinen Ideologieschutz mitgeben, wir können ja auch nicht den ganzen Tag dementieren. Die Leute sollen das Buch lesen.