Konzerthaus: Boulez teilt das rote Mahler-Meer

Wahrlich, ein Gipfeltreffen. Sogar die feindlichen Operninstitute in Gestalt des selten außerhalb Dresdens gesehenen Udo Zimmermann und von Kirill Petrenko, dem neuen Generalmusikdirektor der Komischen Oper, waren im ausverkauften Konzerthaus anwesend, um dabei zu sein, wie Pierre Boulez mit der Staatskapelle aus Eigenem wie aus Mahlers monumental-griesgrämiger 6. Sinfonie Funken schlagen würde. Ein eminenter Abend.

Sonst wird jenes, «Die Tragische» als Beinamen führende Vier-Sätze-Stück in a-moll gerne allein und abendfüllend gegeben. Doch die formidabel präsente Staatskapelle scheint nach ihrem Wagner-Marathon besonders im blechgepanzerten Bereich über fast spielerische Kräftereserven zu verfügen. Bei aller Massigkeit blieb ihr Klang schlank kultiviert, das Ausbäumen und Ausbrechen fand in disziplinierter Wildheit statt. Mit sparsamer Gestik und ruhig überzeugender Gangart teilte Pierre Boulez diesen Koloss wie das Rote Mahler-Meer. Eine unpathetisch-analytisch Lesart war von ihm zu erwarten, doch im Scherzo leuchteten hinter den Herdenglocken zarte Inseln melodischen Gefühls; die Übergänge schienen still zu stehen, um dann um so finsterer die geballte Tutti-Macht hereinbrechen zu lassen.

Ein Wunder an Unökonomie, vollkommen ökonomisch und doch überschwänglich präsentiert. Hart gemeißelte Klanglichkeit und fadendünner Solistenton hielten perfekt Balance, das oft einfach zu laute, sich bisweilen im Selbstmitleid suhlende Stück als fast philosophisch herbe Auseinandersetzung - ohne Conclusio: Leise verebbt das.

So wie die vorausgegangenen, ungemein verästelten, immer wieder in den Impressionismus zurückweisenden Gedichtvertonungen von Cummings und Char. Simone Nold, der intonationssaubere Rias-Kammerchor und die immer als Einzeltäter geforderten Musiker gaben ihr Bestes. Für den frühen Boulez und den mittleren Mahler gerade gut genug. brug