Aus den Lautsprechern dringt die Vergangenheit: Publikumsjubel, live mitgeschnitten kurz vor dem Santana-Auftritt beim Woodstock-Festival 1969. Damals konnte man sich noch in der Hippie-Gewissheit wiegen, allein durch das beschwörende Skandieren der Worte «No Rain» tatsächlich den Regen vertrieben zu haben. Es mussten nur alle fest daran glauben. Heute nimmt man den Regen einfach hin und konsumiert Santana eben mit Schirm und Friesennerz. Und der Hohepriester der flehenden Gitarrentöne enttäuscht die mehr als 20 000 durchnässten Besucher in der feuchten Waldbühne nicht.
Mit ein paar Takten «Soul Sacrifice» starten Carlos Santana und seine zehn Musiker zu ihrer mehr als zweistündigen Tour-de-force durch diesen schlagwerkintensiven Latin Rock, den der mexikanische Gitarrist über mehr als drei Dekaden verfeinert und veredelt hat. Ganz cool steht er da, mit schwarzem Hut, den Mund voller Kaugummi. Er lässt sozusagen seiner Gitarre das Wort. Wenn ein anderer Musiker sein Solo hat, verzieht sich Santana höflich in den Hintergrund. Aber er führt strenge Regie in einer Show, in der ältere und zahlreiche neue Kompositionen nahezu pausenlos ineinander übergehen, darunter Titel des im Herbst erscheinenden Albums «Shaman».
Mambo und Rumba, Samba und Cha Cha Cha werden von kräftigen Gitarren-Riffs durchzogen. Raul Rekow (Congas), Karl Perazzo (Timbales) und der neu zur Band gestoßene Schlagzeuger Dennis Chambers bringen die Rhythmusmaschine immer wieder auf Touren. Chambers wird später reichlich Raum für einen furiosen Alleingang bekommen. Das perlende «Aranjuez»-Gitarren-Intro zu «Maria, Maria» steuert nach alter Tradition Santanas langjähriger Gitarren-Techniker René Martinez bei. Andy Vargas und Tony Lindsay sind die stilsicheren Sänger an der Bühnenrampe. Bei «Open Invitation» steigt Adam Duritz, Sänger der US-Rockband The Counting Crowes, die das Vorprogramm bestritten hatte, mit ein.
Carlos Santana hat es verstanden, Blues, Rock und Jazz mit lateinamerikanischem Feuer anzufachen. Er predigt mit durch dezente Rückkopplung singendem Gitarrenton Liebe und Verständnis, Gleichheit und Brüderlichkeit unter den Menschen. Mit Worten, die manchmal etwas peinlich werden, und mit Musik, die wohltuend die Seele schaukelt. Obwohl die neue Show unter dem Titel «All Is One» von Anflügen professioneller Routine durchzogen ist, schafft es der 54-jährige Gitarrist, der Klassiker wie «Jingo», «Black Magic Woman» oder «Oye Como Va» im Repertoire hat, jede Menge Glückshormone beim Publikum zu aktivieren. Die Pfiffe für das vermeintlich zu frühe Ende hat er nicht verdient.