Anleitung zum Hass?

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Andrea Klingsieck

Heute kommt Costa-Gavras' Film «Der Stellvertreter» in die deutschen Kinos. Unter dem Titel «Amen» war er bereits als Wettbewerbsbeitrag auf der Berlinale zu sehen. Doch nicht nur der Titel ist neu, auch das Filmplakat ist ausgewechselt worden. Im Februar hing am Potsdamer Platz noch jenes Plakat, mit dem der Film auch in Frankreich in die Kinos gekommen ist. Auf schwarzem Untergrund geht ein christliches Kreuz in ein Hakenkreuz über. Es bringt das Thema des Films auf den Punkt. Rolf Hochhuths Dramavorlage «Der Stellvertreter» geißelt das Schweigen des Vatikans zu den deutschen Verbrechen während des Zweiten Weltkriegs - obwohl in Rom selbst Details über den Holocaust bekannt waren. Entworfen wurde das Plakat von Oliveiro Toscani, der mit seinen umstrittenen Anzeigen-Kampagnen für die Bekleidungskette Benetton (eine zeigte beispielsweise einen sterbenden Aids-Patienten) bekannt wurde. Auf der Berlinale hatte das «Amen»-Plakat unter den Festivalteilnehmern zwar für Diskussionen gesorgt. Insgesamt aber blieben die Reaktionen gemäßigt.

Im katholischen Frankreich hingegen, wo der Film im Februar startete, führte Toscanis Plakat schon weit vor dem Kinostart zu heftigem Streit - und überschattete dabei die Debatte um das eigentliche Thema des Films. Würdenträger der Kirche zeigten sich empört. Der Generalsekretär der französischen Bischofskonferenz, Stanislas Lalanne, sagte der Tageszeitung «Le Monde», das Filmplakat werde von vielen Katholiken als beleidigend empfunden, da es ein «Amalgam zwischen dem Kreuz Christi und der Barbarei der Nazis» schaffe. Der Pariser Erzbischof Jean-Marie Lustiger beklagte, Costa-Gavras suche die Provokation, um seinen Film zu verkaufen. Der Regisseur bestritt das: «Beim Plakat zu ,Amen' handelt es sich um keine bewusste Provokation.» Lustiger legte daraufhin nach und sagte gegenüber der Tageszeitung «Libération», das Plakat sei eine «Anstiftung zum Hass». Auf den Film bezog sich sein Urteil jedoch nicht - den hatte er nämlich noch gar nicht gesehen. Moderater zeigte sich die französische Bischofskonferenz, die «Amen» als einen «guten Film» lobte. Jedenfalls dachte die Kirche gar nicht daran, die Affäre vor Gericht zu bringen. Das tat dafür dann die reaktionäre, ultra-katholische Vereinigung «Agrif» - die Abkürzung steht für «Vereinigung gegen Rassismus und für die Respektierung der französischen und christlichen Identität». Die Organisation, die sich in ihren religiösen Gefühlen verletzt fühlte, versuchte durch eine Klage wegen Verleumdung und Gotteslästerung das Plakat verbieten zu lassen.

Ein Pariser Gericht wies die Klage zurück und gab das Plakat frei. Die Begründung der Richter: «Bei einer offenen Lesart entdeckt man auf diesem Plakat den Willen, das Nazi-Hakenkreuz, das Symbol des Totalitarismus, zu brechen, und das Kreuz in der Erde zu verankern - jenes Kreuz, das die menschliche Gemeinschaft weiter tragen wird. Nur wer sich diesem Gedanken verschließt, kann zu dem Trugschluss kommen, hier würde das Christentum mit dem Nationalsozialismus gleichgeschaltet.»

In Italien kam «Amen» im April in die Kinos. Das umstrittene Motiv war allerdings nur in Zeitungsanzeigen zu sehen und wurde nicht im Straßenbild plakatiert. Gegenüber der Tageszeitung «La Repubblica» begründete der Sprecher des Filmverleihs «Mikado» die Entscheidung mit der schwierigen politischen Situation im Nahen Osten. Man wolle Missverständnisse und Fehlinterpretationen vermeiden.

Der deutsche Verleih Concorde ging diesen Problemen von vornherein aus dem Weg und startete den Film mit einem ganz neuen Plakatmotiv. Hier scheint die Sonne durch ein Kirchenfenster - und wirft ein Hakenkreuz auf den geweihten Boden: befleckte Erde, aber sehr viel versteckter angedeutet. Man muss schon zweimal hinschauen. Das, so der Verleih, sei auch von Anfang an so geplant gewesen, da hierzulande die Diskussion über das Verhalten der katholischen Kirche im Nationalsozialismus zu umstritten sei.

Das musste der Grafiker Heinz Edelmann schon 1963 feststellen, als er Signet und Plakat der «Stellvertreter»-Inszenierung der Düsseldorfer Kammerspiele entwarf. Damals hatten sich katholische und konservative Kreise ebenfalls empört. Das Motiv dürfte Toscani bekannt vorkommen: Edelmann ließ Kreuz und Hakenkreuz optisch zusammenschmelzen.