Ausgesprochen zahm statt kühn: Slatkin in der Philharmonie

Leonard Slatkin ist fürs Zeitgenössische. Mutig setzt er immer wieder Werke von amerikanischen Komponisten auf die Programme seines National Symphony Orchestra Washington. Ausgerechnet dort, wo man eher das Repräsentative als das Experimentelle im Sinn hat. Jetzt beim Berliner Gastspiel dirigiert er allerdings nur so etwas Nettes, Konziliantes wie Roberto Sierras «Fandangos». Folkloristische Kost für einen gepflegten Abend.

Fanfaren schmetternde Trompeten und Schlangenlinien blasende Oboen zelebrieren den Tanztraum des Komponisten aus Puerto Rico. Mit Knisterrhythmen und Schillerklängen, Zitaten von Antonio Soler und Luigi Boccherini führt das Stückchen in die Stilsphären von Barock und Romantik. Gäbe es nicht diese chaotischen Klangkometen, die von Zeit zu Zeit einschlagen: Niemand würde vermuten, dass das Werk erst 2001 entstanden ist.

Leonard Slatkin hat Musik des 20. und 21. Jahrhunderts im Gepäck - zum Beispiel Rachmaninoff und Prokofieff. Das wirkt kühn und klingt dann doch ausgesprochen zahm. Gewichtig immerhin klingt seine Interpretation von Prokofieffs fünfter Sinfonie. Der Dirigent folgt nicht der gängigen Meinung, dass die Werke des Russen unabhängig von Politik und Zeitereignissen entstanden seien. Schließlich hat Prokofieff seine Komposition 1945 geschrieben. Slatkin inszeniert ein Kriegsdrama mit unheilvollen Märschen und gespenstischem Adagio. Danach freilich klingt John Williams' «Star Wars»-Jubelmarsch als Zugabe reichlich seltsam. mig