Nicht jedem Anfang wohnt ein Zauber inne

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Hergen Kicker

Die neue Jury des Theatertreffens wollte bei ihrer Auswahl eine jüngere Generation zu Wort kommen lassen. Doch den Aufbruch sah die Jury offenbar nicht gerade an vielen der Häuser, die mit dieser, resp. der vorletzten Saison einen Neuanfang gewagt hatten. Es fiel schon auf, dass keiner der Intendanten auf dem Podium etwas im Repertoire hatte, das nach Berlin eingeladen worden war. Der Einzige, auf den dies zugetroffen hätte, war Christoph Marthaler. Doch der hatte nach dem Triumph der «Schönen Müllerin» die Diskussion über Neuanfänge an deutschsprachigen Theatern geschwänzt.

Also tagte im Spiegelzelt so etwas wie das schlechte Gewissen der Jury: Mit Elisabeth Schweeger (Schauspielhaus Frankfurt) und Tom Stromberg (Schauspielhaus Hamburg) zur linken zwei Intendanten, die seit ihres Neuanfangs heftig umstritten sind. Mit Bernd Wilms (Deutsches Theater Berlin) saß zur rechten jemand, der vor seinem Antritt heftigst umstritten war. Und man fragte sich prompt, wieso beispielsweise Michael Thalheimers «Emilia Galotti», jüngst mit dem Friedrich-Luft-Preis ausgezeichnet und der Renner der Saison am DT, vom Schaulaufen der Branche verbannt blieb. Viel Neues gab es aus dieser Runde nicht zu vermelden. Die suggestive Fragetechnik des Moderators und Jury-Mitglieds Gerhard Jörder tat ihr Übriges, um intellektuelle Höhenflüge der Theatermacher zu verhindern. Zusammenfassend lässt sich sagen: «Wir brauchen mehr Zeit», das Theater muss «neue Zuschauer gewinnen», das bisherige «Stammpublikum» bröckelt weg (Stromberg und Schweeger).

Der Willen zur selbstkritischen Reflexion der eigenen Leistungen war unterschiedlich ausgeprägt: Während man bei Frau Schweeger permanent den Eindruck gewinnen konnte, ihr Theater sei Opfer einer Medien- und Publikumsintrige, räumte Wilms freimütig ein, dass die erste Saison «im großen Haus besser gelungen sei als in den Kammerspielen».

Alle brachen eine Lanze für Gegenwartsstoffe und entpuppten sich beim Erschließen neuer Fördertöpfe als erfrischend kreativ: Wenn das Theater, so Stromberg, mit Inszenierungen wie Frischs «Biedermann und die Brandstifter» und theaterpädagogischen Angeboten ein Vakuum für Schulen und Volkshochschulen ausfülle, dann sollten sich künftig auch die Bildungshaushalte am Theater beteiligen. Der Rest war wortreiches Schweigen.