Musik

Rolando Villazóns neue Maske

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Felix Stephan

"Ich habe Berlin so viel zu verdanken", sagt Villazón. "In Berlin fühle ich mich wie zuhause." Vor acht Jahren sang der mexikanische Tenor an der Staatsoper den Macduff aus Verdis "Macbeth". Es war seine erste große Produktion. Damals ging sein Stern am Sängerhimmel gerade auf. Wenn Villazón die deutsche Hauptstadt besucht, und das kommt in den letzten Jahren oft vor, "dann spaziere ich gerne an der Spree entlang oder fahre mit dem Fahrrad herum."

- Auch in der U-Bahn kann man ihn antreffen. "Manchmal erkennen die Leute mich und wollen ein Autogramm. Aber das liebe ich an den Berlinern: dass sie so nett und zurückhaltend sind."

Mit Dirigent Daniel Barenboim verbindet Villazón eine tiefe musikalische Freundschaft. "Er teilt meine Leidenschaft für die Oper vollkommen und weiß, wie ich fühle. Ich habe großes Vertrauen zu ihm." Nachhaltiges Aufsehen erregte Villazón als Don José in Bizets "Carmen". Im letzten Jahr, ebenfalls unter Barenboims Leitung, sang er an der Seite von Anna Netrebko in Massenets "Manon". Es sollte der vorerst letzte Auftritt des Operntraumpaares sein. Villazón zog sich unmittelbar danach für mehrere Monate zurück, um seine erschöpfte Stimme zu pflegen und zu neuer Vitalität zu finden. "Ich habe viel Zeit mit meiner Familie verbracht, mit meiner Frau und meinen beiden Kindern. Den Gesang habe ich komplett ruhen lassen."

Mehr möchte Villazón zu seiner Stimmkrise nicht sagen. "Das ist passé. Jetzt schau ich vor allem nach vorn." Er vibriert vor Tatendrang. Er hält Berlin nach wie vor die Treue. Im Februar war der frisch Genesene im Verdi-Requiem zu hören. Nun hat er gerade die Generalprobe des "Eugen Onegin" hinter sich gebracht. Villazón spielt den Part des Lenski, der Onegin aus Eifersucht zum Duell fordert. Er stirbt zwar im zweiten Akt, wandelt aber bis zum Schluss als Geist auf der Bühne der Staatsoper umher. "Es ist ein großes Geschenk für mich, diese Partie zu singen. Der Lenski ist meine Lieblingsrolle im russischen Opernrepertoire."

Bereits vor zwei Jahren hatte Villazón die Partie in London am Royal Opera House Covent Garden gesungen. Er wurde dabei intensiv von Sprachtrainern betreut. "Vorher konnte ich Russisch nicht besonders gut", gibt Villazón lachend zu.

Er bezeichnet die Inszenierung von Achim Freyer, die am Sonnabend Premiere feiern wird, als eine "moderne Skulptur". Villazóns minimalistischen Bewegungen sind dort, wie die aller anderen Beteiligten auch, streng festgelegt, in so genannten Loops.

Für jemanden wie Villazón, dessen Spiel normalerweise ganz von seiner körperlichen Unmittelbarkeit lebt, eine ungewohnte Situation. "Das ist drei Stunden lang Schwerstarbeit. Mein ganzer Körper tut am Ende weh, aber für die Kunst leide ich gerne. Mitten in der Generalprobe stand ich plötzlich wie unter Hypnose." Bariton Roman Trekel, der die Rolle des Eugen Onegin übernimmt, hat eine Erklärung für die albtraumhafte, eisige Opernvision des Regisseurs. "Ich glaube, wir befinden uns hier in einer Matrix. Wir werden erbarmungslos vom Schicksal kontrolliert, ja sogar vergewaltigt. Vielleicht liegen wir in Wirklichkeit in irgendwelchen Behältern und sind an Schläuche angeschlossen."

Daniel Barenboim ist fasziniert von der kalten Strenge der Inszenierung, von der unerbittlichen Logik, mit der Regisseur Freyer vorgeht. "Mit der Musik", so der Dirigent, "steht das keineswegs im Widerspruch. Tschaikowsky gilt ja gemeinhin als Komponist der übertriebenen Sentimentalität. Aber das ist ein Irrtum. Ich habe das früher, als ich jung war, auch gedacht - bis ich auf den großen russischen Dirigenten Mravinsky stieß. Von ihm habe ich gelernt, dass Tschaikowskys Musik vor allem sehr viel Kälte enthält. Daher kann ich mit der Welt, die Armin Freyer entworfen hat, durchaus etwas anfangen."