Die Leiterin des Kulturamtes Neukölln war erleichtert, als sie Dieter Matthes' Foto-Serie “Kindheiten“ zum ersten Mal sah.
"Das sind keine Milupa-Babys", sagte Dr. Dorothea Kolland bei der Ausstellungseröffnung in der Galerie Im Körnerpark. "Die Kinder auf diesen Bildern sollen keine heile Welt vorgaukeln, sondern spiegeln die Realität wieder, in der sie leben."
Bereits zum vierten Mal stellt die Galerie Fotoarbeiten des promovierten Arztes und Reportagefotografen aus, der für namhafte Magazine tätig ist und mit internationalen Preisen ausgezeichnet wurde. In 140 Momentaufnahmen nehmen die zumeist recht ernst und nachdenklich blickenden Kinder den Betrachter mit auf eine Reise zu Metropolen wie St. Petersburg, Tokio, New York und Berlin. Die Städte bilden diesmal jedoch nur den Hintergrund zu dem, was Matthes in jener Serie wichtig war: Alltagssituationen von Kindern in unverfälschter Weise einzufangen, egal, welcher Herkunft sie sind. In der Tat fiele es ohne die Angabetafeln schwer, die Orte zu benennen, an denen sie sich befinden: Die Ruinen und schäbigen Häuserfronten könnten überall sein. Umso erschreckender dann die Erkenntnis, dass es sich überraschend oft um deutsche Großstadtszenen handelt.
Matthes liegt allerdings nichts daran, Elend anzuprangern. Mit seiner Kamera gibt er die Welt aus Kinderperspektive wieder, ohne sie zu beurteilen, und verzichtet auf Effekthascherei und Verniedlichungen. Seine Schwarzweiß-Aufnahmen bestechen durch ihre Klarheit: Jede Geste, jeder Blick erzählt eine Geschichte. Das verschlafene Mädchen vor einem Obst- und Gemüsestand, der kleine Junge an der viel befahrenen Straße, das von Hochhäusern umgebene schaukelnde Kind - die Bilder sensibilisieren den Betrachter für die Probleme, die es in einer zumeist nicht sehr kindgerechten Umgebung gibt. Und sie regen auch dazu an, beim nächsten Spaziergang durch die Straßen einen anderen Blickwinkel aufzusetzen.
Galerie Im Körnerpark , Schierker Str. 8, Neukölln. Bis 31. 8., Di - So 10 bis 18 Uhr.