Wir dokumentieren in Auszügen ein Gespräch, das Dr. Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender des Axel Springer Verlages, mit Ernst Cramer aus Anlass des 90. Geburtstages geführt hat.
Ernst Cramer: Ich bin deutscher Jude, auch wenn es die Nazis nicht wollten. Aber ich bin mit gleicher Selbstverständlichkeit auch Amerikaner.
Mathias Döpfner: Das nenne ich journalistischen Instinkt, dass Sie mir schon eine Antwort auf die erste Frage gegeben haben, die ich stellen wollte, nämlich, ob Sie sich eher als Amerikaner oder eher als Deutscher fühlen?
Für mich ist es eine Einheit. Ich weiß, diese Einheit gibt es nicht, aber in meiner Person ist diese Einheit trotzdem richtig.
Haben Sie sowohl die amerikanische als auch die deutsche Staatsbürgerschaft?
Ich habe beide Staatsbürgerschaften. Die deutsche wurde mir genommen, aber ich habe sie wieder zurückbekommen. Und da ich nie aufgehört habe, mich als Deutscher zu fühlen, war das für mich nur selbstverständlich. Ich habe sie allerdings erst beantragt, nachdem ich keine Exekutivfunktionen mehr innehatte. Ich wollte nicht, dass mir irgendeiner vorwerfen könnte, ich möchte die Bürgerschaft zurück haben, nur weil mir das mein Berufsleben erleichtert.
Aus welcher Zeit datieren Ihre schönsten Erinnerungen an Deutschland - sind es eher jüngere Erinnerungen oder sind es Erinnerungen aus der Kindheit?
Die meisten sind aus der Jugendzeit. Aber es gibt keine Erinnerung, die die Freude am Tag nach der Öffnung der Mauer übersteigen könnte - keine - so schön, wichtig und interessant es früher war.
Der 9. November war Ihr glücklichster Tag?
Ja! Es war ein deutsches Erlebnis, das ich selbst nicht mit geschaffen habe...
...aber doch lange dafür gearbeitet haben...
...dem ich vollen Herzens zugestrebt bin. Es ist das in meinem Gedächtnis prominenteste Erinnerungsereignis in Deutschland. Der Fall der Mauer. Menschen, die über die Mauer gestiegen sind. Ich muss zugeben, mit Tränen in den Augen stand ich dabei.
Wie kann ein Mensch so patriotisch über Deutschland denken und fühlen, der derartig schreckliche Erlebnisse in Deutschland gehabt hat?
Ich kann nur von mir selber reden. Das eine hat bei mir mit dem anderen überhaupt nichts zu tun, würde ich anders denken, hätten die Nazis Recht behalten.
Heute Patriot sein zu können, ist für Sie auch ein Triumph über die Nazis?
Natürlich.
Herr Cramer, sind Sie ein glücklicher Mensch?
Ich bin ein zufriedener Mensch, und Zufriedenheit ist ein großes Glück.