Klavierkonzert mit türkischen Raritäten

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Martina Helmig

Ein Derwisch wirbelt ums heilige Licht. Im Kammermusiksaal der Philharmonie tanzt er zwischen den weißen und schwarzen Tasten entlang. Der junge türkische Komponist Muhiddin Dürrüo lu-Demiriz hat das traditionelle Sufi-Ritual in eine bildkräftige Klavierkomposition übersetzt. In der Mittellage strahlt das Licht - ruhig, beständig, im immer gleichen Modus. Darüber und darunter, in den hohen und tiefen Regionen des Instruments, kreisen aufgeregt huschende, zum Licht strebende Musikgestalten. "Le Tourneur" heißt die Suche nach der göttlichen Erleuchtung. Die türkisch-deutsche Pianistin Gülsin Onay gestaltete die spirituelle Zeremonie mit bezwingender Hingabe und Sinn für die räumliche Dimension der Komposition. Türkische Werke, hierzulande Raritäten, wurden in Onays Klavierabend zu Höhepunkten. Die Pianistin, die auch Komposition studiert hat, setzte sich mit vehementer Überzeugungskraft für ihre Landsmänner ein. Ahmed Adnan Saygun, der bedeutendste türkische Komponist des 20. Jahrhunderts, zählte noch zu ihren Lehrern. In Berlin weckte sie Interesse für seine frühe Sonatine von 1938. Sie fasziniert als Zwitterwesen, das sich ebenso an Bartók wie an Debussy orientiert. Der Komponist hat seine ganz eigene Mischung aus impressionistischen Klangfarben, raffiniert hämmerndem Expressionismus und Balkan-Folklore gefunden. Gülsin Onay gibt Konzerte zwischen Tokio und London. Vor allem aber wird sie in der Türkei als Bühnenstar verehrt. Dort ist sie "State Artist" und Ehrendoktorin. Im vergangenen Jahr hat sie das international renommierte Istanbul-Festival eröffnet. In Berlin hat sie sich schon lange nicht mehr hören lassen. So füllten hauptsächlich türkische Besucher den Saal. Mit der schlicht und geradlinig interpretierten Sonate KV 331 von Mozart, Schumanns Abegg-Variationen und zwei Stücken von Chopin griff die Pianistin in die klassisch-romantische Repertoirekiste. Sie bewies Gespür für Klangpoesie und geschmeidige Virtuosität. Noch eine hübsche "türkische" Spezialität hatte sie im Programm: Franz Liszts Bearbeitung des "Grande Marche du Sultan Abdul Médjid-Khan". Das Original stammt von von Gaetano Donizettis Bruder Giuseppe, der in Gülsin Onays Heimatstadt Istanbul eine Hofkapelle gegründet hatte.