Im Archenhold-Gymnasium schreiben Schüler statt ins Heft in ein digitales Lexikon. Und anstelle heimlicher Zettelchen unter dem Tisch gibt es Botschaften per Mausklick

Jeder Drittklässler weiß heute, dass Wiki nicht nur ein Wikinger-Junge ist, sondern ein kostenloses Lexikon im Internet, mit dem man jede Menge lernen kann. Unzählige Autoren arbeiten gemeinsam aus Spaß und ohne Bezahlung an dem riesigen digitalen Nachschlagewerk "Wikipedia". Doch mit Schule hat das im Normalfall wenig zu tun. Bei vielen Lehrern ist die Nutzung von Wikipedia für Hausaufgaben sogar unerwünscht.

In Berlin gibt es jetzt die erste Schule, in der zwei Versuchsklassen die Wikipedia-Technologie nutzen, um in allen Fächern gemeinsam ihren Unterrichtsstoff zu erarbeiten. Der 14-jährige Adrian lernt seit einem Jahr in der Medien-Klasse des Archenhold-Gymnasiums in Köpenick. Seit der Grundschule ist er bei der Internet-Community "Yappy" mit Freunden vernetzt, macht seine Hausaufgaben mit Wikipedia und sieht sich Filme auf Youtube an. Seit seinem Wechsel auf das Gymnasium ist für ihn endlich auch die Schule in der Gegenwart angekommen. Er gehört zu den ersten Schülern in Deutschland, die im Unterricht mit der Wikipedia-Technologie arbeiten. "Die Schule macht einfach mehr Spaß", findet Adrian.

Und so funktioniert es: Jeder Schüler hat ein eigenes Netbook. Die Bildschirmoberfläche sieht genauso aus, wie man es von Wikipedia kennt. Klickt man auf das Fach Geschichte oder Mathematik, kommt man schnell auf das aktuelle Unterrichtsthema. In Mathe gibt es etwa eine Seite zur Prozentrechnung, in Geschichte eine zur Französischen Revolution. Nach der Gliederung folgen die einzelnen Textabschnitte, am rechten Rand gibt es dazu Fotos oder kleine Grafiken, ganz so wie beim echten Wikipedia. Der Unterschied: Hier haben die Schüler selbst die Inhalte erstellt, und sie können nur von der Klasse und den Lehrern gelesen werden. Die Schüler können sich jederzeit gegenseitig berichtigen oder ergänzen. So entsteht ein gemeinsamer großer Online-Hefter für alle Fächer, der auf einem kleinen Stick in der Hosentasche mit nach Hause genommen werden kann. Selbst wenn jemand krank war oder etwas schlampig ist, hat er damit die perfekte Grundlage, um für Klassenarbeiten zu lernen. So entsteht eine ganz neue Form von Teamarbeit, wie sie heute auch im Berufsleben gefragt ist. Die Schüler können sich sogar im Unterricht auf der Diskussionsseite Fragen stellen und beantworten.

Jeder hat außerdem eine persönliche Benutzerseite. Hier kann er Filme oder Musik präsentieren. Und hier kontrollieren die Lehrer auch die Hausaufgaben. Bei ihnen kommt die Wiki-Schule ebenfalls gut an: "Das Schöne ist, dass die Schüler mit so viel Begeisterung dabei sind und sogar freiwillig mehr machen, als sie müssen", sagt Lehrerin Susanne Kneiske.