Arbeit und Privates

So gelingt die Freundschaft im Job

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Alexandra Bülow

Durchschnittlich 160 Stunden im Monat sitzt man gemeinsam mit den Kollegen Schreibtisch an Schreibtisch oder arbeitet zusammen in einer Schicht. Oft entstehen über die Zeit enge Bindungen, gar Freundschaften im Beruf.

Das Wort Freundschaft definiert dabei jeder für sich selbst. "Werte wie Offenheit, Verlässlichkeit, Austausch und gegenseitige Unterstützung werden von den meisten Menschen genannt", sagt Hermann Refisch, Wirtschaftspsychologe und Karriereberater.

Nettes Miteinander

Ist man mit einem Kollegen befreundet, muss allerdings beiden klar sein, dass hier außerhalb des Jobs zwei Rollen die Beziehung bestimmen: Die des Freundes und die des Kollegen. Ist es eher ein nettes Miteinander im Büro statt einer langjährigen Freundschaft, sollte man sich gut überlegen, wie detailliert man Auskunft über Privates gibt.

Eine Bewährungsprobe für jede gute Beziehung unter Kollegen ist eine Beförderung. Einige freuen sich von Herzen für ihren Kollegen, doch können auch Neid und Missgunst aufkommen. Warum der und nicht ich? Was kann die, was ich nicht kann? Es mag nicht zu unserem Bild passen, in dem wir stets souverän, vernünftig und unseren Mitmenschen herzlich zugetan sind. Es ist aber nur allzu menschlich, so zu denken. Kein Mensch ist immer nur nett. "Entscheidend ist es, die Enttäuschung nicht zu verdrängen, sondern bewusst in sich hineinzublicken und sie sich zuzugestehen. Sobald man das klar hat, hilft auch ein offenes Wort an den Freund", so Hermann Refisch. Denn auch der andere, der nun in der Chefrolle steckt, wird unsicher sein, ob seine ehemaligen Kollegen ihn akzeptieren und mitziehen.

Am besten überlegt man miteinander in aller Ruhe, wie man mit der neuen Situation umgeht, was man voneinander erwartet, wie man mit Weisungen, Kritik oder auch Fehlern umgeht, ob und wie man Job und Freundschaft trennen will und welche Grenzen es gibt.

So muss die ehemalige Kollegenschar respektieren, dass der alte Kumpel und neue Chef kritisiert und die Marschrichtung vorgibt. Ebenso darf er nicht alles ausplaudern, was die Führungsriege plant. Viele sind in solchen Momenten vor den Kopf gestoßen, erwarten von ihrem Kumpel, dass er auch weiter Informationen weitergibt. Einige haben Sorge, dass der neue Chef einiges über sie weiß, was er gegen sie verwenden könnte. Doch es gilt für beide Seiten: Wer solche Dinge gegen den anderen ausspielt, ist einer Freundschaft nicht wert.

Manchmal wenden sich auch Kollegen von demjenigen ab, der mit dem neuen Chef gut befreundet ist - weiß man, ob er es dem Freund erzählt, wenn man über das Management oder den Boss lästert oder einen Kunden anfaucht? Hier kann eine klare Ansage helfen. "Freunde sollten im Job nie eine nach außen abgeschottete Einheit sein. Besser ist es, nicht immer nur zu zweit Mittagessen zu gehen und andere in Gespräche mit einzubinden", rät Refisch.

Wurde man selber aus dem Team der Kollegen zum Chef befördert, muss man damit klarkommen, nicht mehr in dem Maße dazuzugehören wie früher. Ein nettes Miteinander kann es aber trotzdem geben. Mal fragt man die Kollegen, ob man zum Essen mitkommen kann, mal lädt man zum Feierabendbier ein oder bringt zum Geburtstag eines Mitarbeiters Kuchen mit. Wichtig ist zudem, gegenüber dem guten Freund und Mitarbeiter nicht den knallharten Boss zu geben, um dem Vorwurf der Vetternwirtschaft vorzubeugen. Ebensowenig sinnvoll ist es, zu weich zu sein.

Aufrichtiges Feedback

Meist spielt sich all das mit der Zeit ein, wenn die Freunde miteinander ehrlich sind und die neuen Rollen "lernen". So kann die Freundschaft wachsen und gestärkt werden. Zumal die Freunde füreinander aufrichtiges Feedback bedeuten. Der Chef kann seinen Freund fragen, wie er ihn als Mitarbeiter einschätzt und erlebt. Auch, wenn ihm die Antwort nicht gefällt, weiß er dass sein Freund ehrlich und gut meinend ist.

Für Freunde, die gemeinsam eine Firma gründen, ist der ständige Austausch ebenso wichtig. Vor der Firmengründung gilt es, sich darüber zu verständigen, was jeder erwartet - von der Firma und von dem anderen: Wer ist für was zuständig? Was soll aus der Aufgabe jedes einzelnen erwachsen? Wie wird das Geld eingesetzt? Dies wird in einem Vertrag festgehalten. Trotz Freundschaft ein Vertrag? Ja, unbedingt! In den gehört auch ein Absatz zu einem eventuellen Ende einer Zusammenarbeit. Refisch rät, aufzuschreiben, was mit dem Anteil eines jeden geschieht oder ob einer ausbezahlt wird.

Wenn man schließlich in der gemeinsamen Firma arbeitet, sollten alle darauf achten, sich frühzeitig zu Wort zu melden, wenn sie nicht zufrieden sind oder die Zahlen nicht stimmen. Denn wo nicht befreundete Kollegen im Job klare Ansagen machen, versuchen Freunde oft, die Harmonie zu wahren.

"Die Freunde sollten sich regelmäßig zusammensetzen und über ihre persönlichen Ziele sprechen", sagt Refisch, "sie können zum Beispiel mal drei Tage zusammen wegfahren und nur über sich sprechen." Die eigenen Ziele verändern sich mit den Jahren, ebenso Prioritäten und Bedürfnisse. Es ist gut, wenn Freunde sich darüber austauschen, denn es beeinflusst auch die gemeinsame Firma. Für all diejenigen, die sowohl durch ihre gemeinsame berufliche Tätigkeit, als auch durch eine Freundschaft verbunden sind gilt die Faustregel: Nicht zuviel Freundschaft im Job und nicht zuviel Job in der Freundschaft.