Arbeitsplatz

So bleiben Sie an Bord

| Lesedauer: 5 Minuten
Henning Zander

Rund 700 Überstunden im Jahr reichten der Geschäftsführung nicht aus. Der Werkstattleiter eines Lkw-Herstellers sollte trotz dieses Einsatzes den Betrieb verlassen. Der Grund: Minderleistung, in der Managementsprache auch Low Performance genannt.

Er sei gegenüber Kunden unfreundlich gewesen, wirft ihm der Betrieb vor. Als Beleg wird eine E-Mail-Beschwerde angeführt. Rechtsanwalt Michael Felder, der den Werkstattleiter im Kampf gegen die Kündigung vertritt, kann über ein solches Verhalten nur den Kopf schütteln: "Erst lassen sie ihn Überstunden machen, dann soll er schlecht gearbeitet haben. Das passt nicht zusammen."

Unternehmen unter Druck

Die Unternehmen stehen in Zeiten der Krise unter Druck. Thomas A. Dick weiß, dass das Thema vielen Führungskräften unter den Nägeln brennt. Der Rechtsanwalt der Kanzlei Rechtsanwälte BDH aus Darmstadt hat sich auf Rechtsfragen rund um das Thema Minderleistung spezialisiert. Er hat ein Netzwerk mit dem Namen "Low Performance Management" gegründet. Geschäftsführer und Vorstände sind hier versammelt. Das Netzwerk hat inzwischen über 1200 Mitglieder. Dabei besteht es erst seit September des vergangenen Jahres. "Gerade in Zeiten der Krise fällt schlechte Leistung besonders ins Gewicht. Schließlich verdichten sich die Arbeitsaufgaben immer mehr", sagt Thomas A. Dick. Deshalb gebe es für viele Führungskräfte einen ganz klaren Auftrag der Firmenleitung: "Low Performer sollen identifiziert werden."

Vor allem Finanzdienstleister und die Automobilbranche sind besonders betroffen. Hier hat sich die Krise bislang am stärksten ausgewirkt. Jede Leistung wird überprüft: Von der Kassiererin am Bankschalter bis zum Vertriebsleiter. Woran sich die schlechte oder mindere Leistung der Mitarbeiter jedoch bemessen soll, können meist nicht einmal die Betriebe klar definieren.

Kann es zum Nachteil ausgelegt werden, dass Bahnfahrten zum Kunden nicht zur Arbeit an aktuellen Projekten der Firma genutzt werden? Was ist, wenn dies 20 Jahre nicht ausdrücklich gewünscht wurde, sich nun die Firmenpolitik geändert hat? Auch dies ist ein Fall, mit dem Michael Felser sich auseinandersetzen muss. Auch hier wurde dem Mitarbeiter Minderleistung vorgeworfen.

Häufig ist es das Ziel des Unternehmens, sich von Low Performern zu trennen. Doch eine Kündigung ist nicht einfach. "Klar ist, dass eine Pflichtverletzung vorliegt, wenn ein Mitarbeiter bewusst die Leistung verweigert, die im Arbeitsvertrag festgelegt worden ist", sagt Michael Felser. In diesem Fall kann nach einer Abmahnung und der Wiederholung der Pflichtverletzung eine Kündigung ausgesprochen werden.

Wie allerdings damit umgegangen werden kann, wenn der Mitarbeiter die Leistung zwar erbringen will, aber nicht kann, ist umstritten. Zum einen ist es nicht immer einfach, klar zu definieren, worin eine gute und eine schlechte Leistung besteht.

Während sich bei der Arbeit am Band produzierte Stückzahlen messen lassen, ist es bei Teamarbeit im Büro nicht einfach zusagen, wem welcher Anteil an Erfolg zukommt.

Listen sind verboten

Der direkte Vergleich zwischen den Mitarbeitern ist nicht erlaubt, um Minderleister zu ermitteln. Listen, die das Personal im Betrieb in Aufsteiger und Absteiger, in High Performer und Low Performer einteilen, sind in Deutschland für die Begründung einer Kündigung nicht erlaubt. Schließlich muss es in jeder Gruppe zwangsläufig eine Person geben, die das "Schlusslicht" bildet. Deshalb ist ein Mitarbeiter nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nur zur angemessenen "Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit" verpflichtet (Az. 2 AZR 667/02). Damit ist es umso schwieriger, Minderleistung oder Low Performance nachzuweisen.

Dick kritisiert, dass in vielen Betrieben das Thema Low Performance Management auf eine Kündigung der schwächsten Mitarbeiter verkürzt wird. "Der erste Zugang zu dem Thema ist oft 'der muss weg'. Doch das ist bei weitem zu kurz gedacht", sagt Jurist Dick. Denn oft gebe es tiefere Gründe, dass Menschen weniger leisten, als andere. Sei es, das sie auf der falschen Position sitzen, nicht mehr vom Unternehmen unterstützt werden oder schlicht über einen gewissen Zeitraum etwa wegen einer Krankheit nicht anders können. "Entlassungen können nur der allerletzte Schritt sein", sagt der Rechtsanwalt.

Kritik früh ansprechen

Doch vielen Managern falle es leichter, harmonische Mitarbeitergespräche zu führen, als tatsächliche Probleme anzusprechen. Dabei wäre es derzeit umso wichtiger, das Thema Leistung klar zur Sprache zu bringen. "Der spitze Stift darf nicht erst am Ende des Jahres beim Mitarbeitergespräch herausgeholt werden", so der Rechtsanwalt.

Tatsächlich sind es häufig sogar die Manager selbst, die auf der Abschussliste stehen, bemerkt Iris Gordelik, Personalberaterin Vorstand der Gordelik AG in Buxtehude. Sie betreut als Headhunterin Führungskräfte ab einem Jahreseinkommen von 50 000 Euro. "Die Krise ist ein beliebtes Alibi, um sich von Low Performern zu trennen", stellt Gordelik fest. "Wer weiß, dass er womöglich zur Zielgruppe gehört, sollte versuchen, sich durch interessante Projekte hervor zu tun. In diesen Zeiten sind Führungsfähigkeiten und Verhandlungsgeschick gefragt. Und selbstverständlich Krisenmanagement."