Der Architekt Roger Bundschuh spricht über den Charakter seines ungewöhnlichen Projekts

Mit dem Neubau Linienstraße 40 hat Roger Bundschuh eine auffällige architektonische Leistung abgeliefert, welche durchaus Fragen aufwirft.

Berliner Morgenpost:

Können Sie in ein paar Sätzen den Gesamtcharakter des Hauses zusammenfassen, und wie ist es architektonisch einzuordnen?

Roger Bundschuh:

Es gibt so viele Attribute und Überlegungen, da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll ... Von Anfang an war klar, dass wir mit dem Haus eine Bandbreite unterschiedlicher Wohnsituationen adressieren wollten, die sich aber alle mit der Thematik des Wohnens mit Kunst, oder sagen wir besser: dem kunstaffinen innerstädtischen Wohnen beschäftigen. So ist zum Beispiel der lange Raum in der Wohnung von Herrn Anderl eine Reverenz an die "long galleries" in elisabethanischen Landhäusern in England. In diesen großartigen Räumen hing Kunst, es standen Sofas herum, bei schlechtem Wetter - immerhin war man ja in England - konnte man dort spazieren gehen. Zum einen ist es daher ein multifunktionaler Raum, aber eben auch wieder ein ganz spezifischer Raum, der einen ganz eigenen und unverwechselbaren Charakter hat. Das hat uns gereizt.

Wie schwer war es, dieses ungewöhnliche Objekt als Architekt bei den Ämtern durchzusetzen? Welche Widerstände oder Vorurteile gab es?

Wir haben das Projekt intensiv diskutiert und - vor allem mit der Stadtplanung - auch gemeinsam weiterentwickelt. Nach einer anfänglichen Skepsis haben wir sogar ziemlich viel Unterstützung bekommen; ich glaube, es hat den Verantwortlichen bei der Stadt auch ein bisschen Spaß gemacht. Zum Beispiel mussten wir, um die Idee des offenen Innenhofes zu realisieren, dafür Sorge tragen, dass diese städtebauliche Idee auch im Rest des Blocks weitergeführt wird, also Einfluss auf die künftige städtebauliche Entwicklung der Umgebung nimmt. Das war relativ kompliziert und wäre ohne die Unterstützung der Ämter nie gegangen.

Was war das Schwierigste beim Bau des Hauses - das Konzept, die Statik oder die Materialwahl?

Besonders herausfordernd waren vor allem die Anforderungen an den Schallschutz. Das Gebäude steht ja mehr oder weniger mitten auf der Torstraße. Aber trotzdem sollte es im Gebäude so ruhig sein wie in einem allgemeinen Wohngebiet. Wir haben das dann so gelöst, dass das Gebäude nirgendwo das Erdreich berührt. Außerdem wurde zwischen Gebäude und Umgebung eine Schicht festen Schaums eingebracht, der in seiner Dichte so berechnet ist, dass er das Gewicht des fertigen Gebäudes trägt. Die Erschütterungen von außen werden so weit gedämpft, dass diese nicht in das eigentliche Gebäude hineinkommen, sondern im Schaum "stecken bleiben".

Wie waren die Reaktionen in der Öffentlichkeit? Gab es auch geteilte Meinungen ob des ungewöhnlichen Aussehens des Hauses?

Geteilte Meinung ist noch sehr höflich ausgedrückt. Auf jeden Fall hatten wir eine sehr große Resonanz, das hat uns selber etwas überrascht. Und natürlich gibt es Leute, die das Gebäude ganz scheußlich finden, dass weiß ich. Aber wissen Sie, ich kann und will mich damit gar nicht beschäftigen, was die Öffentlichkeit vielleicht schön findet oder nicht. Meine Aufgabe ist es, die Lösung zu finden, von der ich überzeugt bin, dass sie die beste Antwort auf die Anforderungen des Projektes ist.