Die Mietpreisentwicklung kennt bei den Pluszahlen nur einen Sieger: Charlottenburgs Westend. In keinem anderen Teilbereich unseres 25-Jahre-Preis-Checks des Immobilienmarkts lag der West-Berliner Tabellenführer derart weit vom Zweitplatzierten entfernt wie bei der Miete: In Charlottenburgs Westend stiegen die Mieten von 1977 bis 2002 um glatte 189 Prozent, beim Zweitplatzierten Wannsee/Nikolassee waren es 136 Prozent.
Das Tabellenende zieren normalerweise die Verlierer - im Fall der weniger stark steigenden Mieten aber könnte man solche Gebiete aber auch als "Top-Lage für Sparfüchse" feiern und zum Sieger erklären. Tabellenletzter wurden die südlichen Ortsteile Lankwitz, Marienfelde und Mariendorf, wo die Angebote bei Neuvermietungen um ganze 73 bis 76 Prozent stiegen. Dies ermittelten wir aus den Immobilienangeboten der Berliner Morgenpost von 1977 und 2002.
Charlottenburgs Westend stieg innerhalb dieser zweieinhalb Dekaden von einer gutbürgerlichen Lage im Jahre 1977 zu einer der Top-Lagen auf und rangiert jetzt fast auf einer Linie mit Grunewald oder Dahlem. Aber nicht nur das erklärt den enormen Preisanstieg, sondern auch die Geschichte der Mietpreise im einstigen Berlin-West. Als die Stadt noch von allen Seiten eingemauert war, galt folgende Regel: Egal wie billig oder teuer eine Mietwohnung war, so durfte sie im Falle einer Neuvermietung nur zehn Prozent teurer werden.
Beispiel: Man nehme eine Berliner Lage mit viel Fluktuation wie Kreuzberg oder Neukölln. Neu-Berliner, junge Leute oder Studenten ziehen hier in "billige Buden", suchen sich bald "was Besseres" und ziehen schnell wieder aus. So konnte sich hier die Zwei-Zimmer-Wohnung mit 50 Quadratmetern, Ofenheizung und "Klo halbe Treppe" von 200 Mark im Jahre 1967 schon bis zum Jahr 1987 durch zehn Mieterwechsel über 220, 242, 264, 290, 319, 351, 386, 424 und 466 Mark schnell auf 512 Mark Kaltmiete steigern. Theoretisch jedenfalls.
Anders im Westend, das viele Wohnungen von 100 und mehr Quadratmetern bietet. Hier wohnte im Jahre 1967 vielleicht schon die Witwe aus einer vermögenden Familie, die nach jahrzehntelangem Wohnen immer noch 400 Mark Monatsmiete für ihre 100 Quadratmeter zahlte - und dies auch noch 1987. So starteten die Westend-Wohnungen zum Teil extrem preiswert in die 1990er Jahre, und erst dann wurden sie nach dem Tod jener Beispiels-Mieterin top-saniert angeboten - für reale Marktpreise und ohne die Zehn-Prozent-Schranken von früher. So kam es dort zu den extremen Preissteigerungen in unserer Untersuchung.
In der Liste der Mietpreissteigerungen liegt die weitere Spitzengruppe nahe beieinander: Wannsee/Nikolassee 136 Prozent plus, Grunewald 135 Prozent, Charlottenburg und Kreuzberg jeweils 131 Prozent, Neukölln 130 Prozent, Wilmersdorf 126 Prozent und Lichterfelde(-West) 121 Prozent. Mit etwas Abstand kommen im Mittelfeld Lichtenrade und Schöneberg (jeweils plus 108 Prozent), Zehlendorf (105 Prozent), Tempelhof (102 Prozent) sowie Britz, Buckow und Rudow mit plus 94 Prozent.
Die "Nord-Logik" aus anderen Zahlentabellen hielt die Reinickendorfer Wohnlagen wiederum zusammen: In Frohnau stiegen die Mieten in 25 Jahren um 92 Prozent, in Heiligensee, Tegel, Konradshöhe und Tegelort um 91 Prozent, in Hermsdorf, Waidmannslust und Lübars um 89 Prozent und Reinickendorf/Wittenau um 85 Prozent. Dazwischen geschoben haben sich nur Spandau (plus 88 Prozent) und unser Vergleichsindex, die "Ausgaben eines Vier-Personen-Haushalts" - quasi die Inflationsrate dieser 25 Jahre.
Wenig stark als die Lebenshaltungskosten sind die Kaltmieten (bei Neuvermietung) erstaunlicherweise im Nobelort Dahlem (plus 82 Prozent) gestiegen; dort wurden auch 1977 wohl schon hohe Mieten verlangt. Noch günstiger war es nur in Steglitz (plus 80 Prozent), Gatow, Kladow und Pichelsdorf (79 Prozent), Wedding und Marienfelde/Mariendorf (jeweils 76 Prozent) sowie beim erwähnten Tabellen-Schlusslicht Lankwitz.