Was macht Berlin als Reiseziel attraktiv? Gibt es den typischen Berlin-Touristen? Darüber sprach Beatrix Fricke mit dem Tourismus-Experten Karl Born, Honorarprofessor für Tourismusmanagement und Tourismuswirtschaft an der Hochschule Harz und jahrelang Vorstandsmitglied beim Reiseveranstalter TUI.
Berliner Morgenpost:
Herr Professor Born, Sie leben in Hannover. Hand aufs Herz: Wie finden Sie persönlich Berlin?
Karl Born:
Ich bin ehrlich: Das alte Westberlin habe ich nicht besonders gemocht. Das Ambiente, die Mentalität - das fand ich eher schrecklich. Aber seit der Wiedervereinigung habe ich die Stadt lieben gelernt. Und wie! Ich bin oft hier: beruflich oder weil ich meine Tochter besuche, die hier lebt – und sehr gern auch allein. Mich zieht an, was eigentlich alle Touristen an Berlin anzieht, nämlich die gigantische Vielfalt.
Was genau suchen Touristen in Berlin?
Ganz generell suchen Städte-Touristen den Dreiklang aus Kultur, Event und Shopping. Nur einige wenige Städte in Europa können alles drei bieten, die kleinen schon gar nicht. Berlin gehört definitiv dazu, und das auf einem Top-Niveau. Zwei Beispiele: Allein die Museumsinsel ist eine Reise wert, und bedeutende Shoppingmeilen gibt es mit der Friedrichstraße und dem Ku’damm gleich zwei. Außerdem mögen Touristen, wenn Klischees bestätigt werden. Das Brandenburger Tor, der schnoddrige Berliner Taxifahrer: Das wollen sie sehen und erleben.
Aber das kann doch nicht alles sein...
...genau, und hier kommt das, was Berlin darüber hinaus ausmacht. In Berlin können sich Touristen auch ganz schnell wie Einheimische fühlen, etwa wenn sie in Szenen abtauchen oder auf Sportevents gehen. Bei diesem Tourismustrend, den wir „Live like a local“ nennen, war Berlin ganz vorn dabei und hat London abgelöst. Berlin kann man vom Hilton oder Interconti aus erleben oder eben auch vom privat vermieteten Sofa und dem alternativen Frühstückscafé aus.
Sprechen Sie hier nicht von ganz unterschiedlichen Touristengruppen?
Ja, mit Absicht. Denn genauso vielfältig wie die Stadt sind auch ihre Besucher. Den typischen Berlin-Touristen gibt es nicht. Es gibt die wohlhabenden Best Ager genauso wie die jungen Leute. Es gibt viele Geschäftsreisende, die aber auch gern mit ihren Familien wiederkommen. Dazu trägt bei, dass Berlin gemessen an anderen Städten preiswert ist. Das macht einen Teil der Beliebtheit aus. Genauso wie das viele Grün. Man kann ruhig wohnen und ist trotzdem in zehn Minuten an den Hotspots. Das macht eine Großstadt attraktiv.
Was sagen Sie: Wird der Berlin-Boom andauern?
Erfolg ist nichts, was ewig hält. Man muss wissen, wo die Gründe für den Erfolg liegen, und da dranbleiben. Dazu gehören gute Hotels mit angemessenen Preisen, Sauberkeit, eine gute Ausschilderung, gute Verkehrsverbindungen, guter Service, Angebote für alle Gruppen vom Rentner bis zur jungen Familie. Und nicht zuletzt braucht es die Menschen in der Stadt. Die Menschen, die in Berlin leben, müssen Botschafter für ihre Stadt sein. Sie müssen ausstrahlen, dass sie sich über die Besucher freuen.
Und: Tun sie das?
Es gibt da schon eine Gefahr, und die liegt ironischerweise im Erfolg Berlins. Wenn die Plätze total überlaufen sind und sich Müll ansammelt, mögen das weder die Besucher noch die Berliner. Und wenn Touristengruppen in Kreuzberg die ganze Nacht durchfeiern, führt das natürlich zu Konflikten. Da muss man schauen, dass beide Gruppen zu ihrem Recht kommen. Meine Tochter zum Beispiel ist vom Potsdamer Platz nach Schmargendorf gezogen. In Mitte war ihr der Touristen-Trubel zu viel geworden. Und sie ist kein Einzelfall.
Dabei könnten sich die Touristengruppen verteilen: Schließlich hat Berlin an allen Ecken etwas zu bieten....
Allerdings. Und über diese Möglichkeiten muss man deutlich informieren, in mindestens zehn Sprachen. Allein die Vielfalt an Stadtrundfahrten und Schiffstouren! Das ist doch toll.
Was würden Sie denn für Berlin und den Berlin-Tourismus tun?
Man muss die Stärken Berlins ständig herausstreichen. Und ich bleibe dabei: Das ist zunächst einmal nicht das Untypische, sondern das sind die klassischen Attraktionen. Die Fanmeile während der WM, das war genau richtig. Das Brandenburger Tor ist ein starkes Bild, das sich bis ans Ende der Welt transportiert. Es steht für die Wiedervereinigung, die nach wie vor eine große Faszination ausübt. Das zieht Besucher an. Und wer erst einmal in Berlin war, der kommt immer wieder.
Denn Berlin kennt man nie ganz, und daher wird man Berlin auch nie satt.