Um eine Eskalation zwischen beiden Elternteilen zu verhindern, haben die Richter des Amtsgerichts Pankow-Weißensee vor vier Jahren ein "beschleunigtes Familienverfahren" für Scheidungsfälle entwickelt. Gestern zogen Familiengericht, Jugendamt und die Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) Bilanz. "Es geht uns darum, Eltern dabei zu unterstützen, eine eigene Lösung zu finden", sagte die Familienrichterin und Vizepräsidentin des Amtsgerichts Pankow/Weißensee, Cornelia Holldorf. Nur so könne der Konflikt nachhaltig gelöst werden. "Kinder brauchen stabile Beziehungen zu beiden Elternteilen, doch lassen sich diese nicht durch Gerichtsbeschlüsse verordnen", so die Richterin.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurde das alte Verfahren modifiziert: "Die Eltern erhalten jetzt gleich nach der Scheidung einen Anhörungstermin und werden an einen Tisch geholt", sagte Holldorf. Häufig würden sich bereits nach wenigen Sitzungen Lösungen finden. Zudem sei ein weitläufiges Kooperationsnetz aufgebaut worden. Dieses umfasse Gerichtsvollzieher, Jugendämter, Rechtsanwälte, Lehrer, Ärzte, Psychologen und die Polizei. "Ein Kind, das den Vater wochenlang nicht sieht, hat keine Zeit für eine langsame Kooperation zwischen Gericht und Jugendamt", so Holldorf. "Die Eltern stecken häufig in einer hochemotionalen Situation. Da geraten die Kinder manchmal aus dem Blick", sagte Axel Bierre vom Jugendamt Pankow. "Trotzdem haben sie ein Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen." Die Zahlen geben dem "beschleunigten Familienverfahren" recht: Rund 90 Prozent der Familien würden selbst eine Lösung finden. Vorher habe das Familiengericht weitaus mehr Entscheidungen treffen müssen. Außerdem habe sich die durchschnittliche Verfahrensdauer von rund zwei Jahren auf sechs Monate verkürzt. Als Grund nannte Hollldorf die Änderung der Abläufe. "Wir verlangen jetzt keine schriftliche Stellungnahme mehr von den Jugendämtern." In den ersten drei Quartalen dieses Jahres bearbeiteten die Berliner Familiengerichte 9.086 Scheidungsfälle.
Gleichzeitig fokussiert sich das "beschleunigte Familienverfahren" auf ein weiteres Problemfeld: Kinder, deren Wohl gefährdet ist. "Auch straffällige oder schulschwänzende Kinder, sind gefährdete Kinder", sagte Jochen Sindberg, Leiter der Kripo Mitte. Diese seien häufig Opfer familiärer Gewalt. Hier gelte es, früher einzugreifen und die kriminelle Laufbahn abzubrechen. Bis Oktober 2010 gab es an den Berliner Familiengerichten rund 1.500 Verfahren wegen Kindeswohl-Gefährdung. Für die verbesserten Bedingungen an den Familiengerichten macht Justizsenatorin von der Aue auch die gestiegene Zahl der Familienrichter verantwortlich. "Allein in diesem Jahr wurden Mittel für acht zusätzliche Stellen freigegeben." Derzeit sind 78 Richter an den drei Berliner Familiengerichten in Pankow-Weißensee, Tempelhof-Kreuzberg und Schöneberg tätig.