Geleitet wird die Musikschule von Dominika Vogt, sie gibt seit über 20 Jahren Kurse zur musikalischen Früherziehung. " Ich kombiniere Bewegung mit Musik. Dadurch treten die Kinder in Aktion. Sie lernen Musik zu differenzieren, zum Beispiel erfahren sie, dass es laute und leise Töne gibt, schnelle und langsame, dicke und dünne", erklärt die Sozialpädagogin und Rhythmiklehrerin. Mit Trommeln, Triangeln, Rasseln oder Glockenspielen lernen die Kinder, wie es sich anfühlt, gemeinsam zu musizieren. Und das heißt: auf den anderen hören, sich einfühlen, sich in eine Gruppe einordnen und dem allgemeinen Klangerlebnis zu folgen.
Schon Babys lieben Melodien
Die Anlage für Musik bringt jeder Mensch mit auf die Welt, genauso wie diejenige zum Sprechen oder Laufen. Alle Geräusche und Töne, die ein Kind wahrnimmt, fördern sein musikalisches Empfinden. Bereits im Bauch der Mutter haben Embryos ihre ersten Höreindrücke. Der Herzrhythmus der Mutter, ihr Atmen und andere Körpergeräusche begleiten sie Tag für Tag. 'Klänge des Lebens' nennt Alfred Tomatis, diese Hörerlebnisse die Ungeborene über die Wirbelsäule der Mutter aufnehmen. Er ist Arzt und Professor für Audio-Psycho-Phonologie in Paris.
Mit dem Beginn des siebten Monats reagieren Embryos auf bestimmte Melodien, die die Mutter immer wieder singt, sie saugen am Daumen oder tanzen mit den Füßen gegen die Bauchdecke. Kein Wunder also, dass Kleinkinder so stark auf Musik reagieren. Sie singen, tanzen und erzeugen gerne Geräusche mit allem, was ihnen in die Hände kommt. Irgendwann kommt aber der Zeitpunkt, an dem einem Kind die häuslichen Möglichkeiten nicht mehr ausreichen, vielleicht braucht es jetzt eine Gruppe, in der - dem Alter entsprechend und spielerisch - seine musikalischen Fähigkeiten zum Zuge kommen. Je nach Angebot kann jedes Kind an einem Kurs zur musikalischen Früherziehung teilnehmen.
Heute Vormittag sind es vor allem Kita- und Kinderladengruppen, die zu Dominika Vogt kommen. Die Erzieherin Uta Buckenauer vom Kinderladen "Paul und Klärchen" bringt ihre Gruppe immer wieder gern hierher. "Wir nehmen dieses Angebot schon seit über zehn Jahren wahr, es ist Teil unseres Kinderladen-Konzepts, dass die Kinder hier einmal in der Woche gemeinsam musizieren können."
Besonders zufrieden wirken die Kinder, wenn Dominika Vogt ihre Gitarre zur Hand nimmt und sich mit den Kindern in einen Kreis setzt um ein paar Lieder zu singen. "Das Singen hat eine große Wirkung auf Kinder", bestätigt sie. Die Struktur der Lieder - Strophe, Refrain, Kehrreime - werden bei Kindern instinktiv mit Gefühlen von Verlässlichkeit und Sicherheit verbunden. "Die Töne zum Singen entwickeln sich automatisch von innen heraus, somit werden ganz direkt Gefühle angesprochen und ausgedrückt", sagt Vogt.
Die Erwachsenen brauchen sich gar nicht auf dem neuesten Stand des Liederrepertoires zu bringen. Auch die klassischen Kinderlieder kommen beim Nachwuchs immer wieder gut an. "Einen hohen Stellenwert bei der Vermittlung von Musik hat zum Beispiel auch der Kanon", erklärt Dominika Vogt. Die Kinder bekommen ein Gefühl für Mehrstimmigkeit, sie müssen aufeinander eingehen und gleichzeitig Rhythmus halten.
"Musik ist eine Kunstform, die den Kindern hilft, ein Ausdrucksrepertoire zu finden. Sie hat eine entwicklungsunterstützende Funktion für alle Kinder. Darüber hinaus können beispielsweise verhaltensauffällige Kinder Möglichkeiten finden, sich über die Musik anders mitzuteilen oder sich in eine Gruppe zu integrieren", erklärt Dominika Vogt. Ob die Kinder später einmal im Musikunterricht glänzen, ist dabei Nebensache. Aber es lässt sich feststellen, dass die meisten Kinder ein ausgeprägteres Melodie- und Rhythmusgefühl haben, wenn sie früh an einem Musikkurs teilgenommen haben.
Musik fördert Mathe-Verständnis
Dass uns Musik nicht nur im Innersten berührt, sondern auch verschiedenste Begabungen in uns weckt, ist mittlerweile durch viele wissenschaftliche Studien bestätigt worden. Auch mathematische Strukturen vermitteln sich spielerisch über die Musik. Man denke nur an die Takt-Zahlen: Viertel, Achtel, Sechzehntel. Der Umgang mit Musik kann das Verständnis für Mathematik unterstützen und umgekehrt. Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass Musikhören und -machen die Verbindung und Aktivität beider Hirnhälften fördert: Dadurch entwickelt sich das Gehirn "ganzheitlicher", so dass sich die Leistungsfähigkeit aller seiner Bereiche erhöht.
Professor Hans Günther Bastian von der Goethe-Universität Frankfurt am Main untersuchte sechs Jahre lang die Entwicklung von Kindern an Berliner Grundschulen mit musikbetonter Ausrichtung im Vergleich zu anderen Schulen ohne intensive musikalische Förderung. Der Musikpädagoge kam zu dem Ergebnis, dass Musizieren nicht nur die Intelligenz bei Kindern fördert, sondern auch das soziale Verhalten: "Gemeinsames Musizieren wirkt sich auf die emotionalen und sozialen Beziehungen der Kinder untereinander aus." Beim Musizieren kann ein Wir-Gefühl entstehen, ohne dass die Individualität verloren geht. Die Gesamtleistung steht vor der Einzelleistung, das Ensemble vor dem Solisten. Im Chor lernen Kinder und Jugendliche die Zusammenarbeit mit dem Nachbarn. Bastian sagt: "Für eine Gesellschaft, die mehr und mehr vom Single-Dasein gekennzeichnet und deren Gefühl für Solidarität abnimmt, ist dies ein wichtiger Aspekt."
In der musikalischen Früherziehung geht es zunächst nicht um das möglichst schnelle Erlernen eines einzelnen Instruments. Manchmal werden auch andere kreative Seiten in einem Kind geweckt. Möchte ein Kind jedoch nach Abschluss der Früherziehung ein Instrument lernen, so können Eltern einfach Rücksprache mit dem jeweiligen Musikpädagogen halten. Der Musiklehrer oder die Musiklehrerin können die musikalische Reife eines Kindes beurteilen und feststellen, ob es für sein Wunschinstrument geeignet ist.