„Sounds for a while“: UdK-Studenten untersuchen das Potenzial von Klängen und Geräuschen

Ein Zaun wird als Musikinstrument gebraucht. Das Publikum darf sich auch auf eine Beschimpfungsaktion gefasst machen. Ein weibliches Vokalquartett befasst sich mit dem psychoakustischen Phänomen der Differenztöne. Wenn die vier Frauen Töne in ganz bestimmten Tonhöhenabständen singen, entstehen im Ohr des Hörers neue, andere Töne.

„Es geht uns nicht darum, ein Lied zu singen, sondern um das Hören und die Wahrnehmung“, erklärt Vera Buhß. Ihre Aussage gilt für das ganze Projekt „Sounds for a while“. Sieben Studenten des Masterstudiengangs „Sound Studies“ an der Universität der Künste gestalten die Musiktheaterinstallation mit dem Professor und Klangkünstler Hans Peter Kuhn. Am 25. Juni findet die Uraufführung in der Tischlerei statt.

Der Titel lehnt sich an Henry Purcells Schauspielmusik „Music for a while“ an, doch „music“ wird durch „sounds“ ersetzt. „Wir beschäftigen uns mit dem Klang und seiner Wirkung. Was wir machen, hat nur am Rande mit Oper zu tun“, erläutert Kuhn. „Es gibt keine Komposition, die man analysieren könnte, und keine Geschichte, die erzählt wird. Bei uns wird zwar auch gesungen, aber in experimenteller Form.“

Die übliche Aufteilung in Bühne und Zuschauerraum wird es nicht geben. Stühle für das Publikum verteilen sich locker im Saal. Dazwischen finden kleine Spielszenen statt, die jeder Hörer aus einer individuellen Perspektive wahrnimmt. Es wird eine Mischung aus Einspielungen und Live-Performances. In einem schlichten Bühnenbild agieren die sieben Studentinnen und Studenten, unterstützt von der Performancekünstlerin Lucie Vítková.

Den Studiengang „Sound Studies“ gibt es seit neun Jahren. Er richtet sich an alle Klanginteressierten, die sich mit der „modernen auditiven Kultur“ auseinandersetzen wollen. Manche von ihnen werden am Ende Klangkünstler, andere gehen in die Industrie, kümmern sich um den Klang von Staubsaugern oder Automotoren. Andere gestalten den Klang im Stadtraum, in der Werbung oder für Spielkonsolen. Im Studium lernen sie, Klänge und Geräusche ganz genau zu hören, den Umgang mit Geräten, die Klänge erzeugen und verändern können, aber auch Theorie und Geschichte.

Im Moment gibt es etwa 30 Studenten im Alter von 23-50 Jahren. Die meisten haben bereits eine andere Berufsausbildung, wenn sie mit dem Masterstudiengang beginnen. „Das Spektrum ist sehr breit. Wir haben Musiker, DJs, Komponisten, Physiker, Bühnenbildner und Tonmeister“, erzählt Hans Peter Kuhn, der den Teilbereich „Experimentelle Klanggestaltung“ leitet. „Hier studierte aber auch schon ein Bergsteiger, den die Naturgeräusche in den Bergen so sehr fasziniert hatten, dass er sich intensiver mit Sound beschäftigen wollte.“

Die Kooperation zwischen der Deutschen Oper Berlin und dem Studiengang „Sound Studies“ existiert schon seit zwei Jahren. Im Sommer 2013 gestaltete ein anderer Studenten-Jahrgang eine Reihe von Klanginstallationen in der Tischlerei. Im vergangenen Jahr kreierten wieder andere Studenten den Soundwalk „Das große Buh“.

An der aktuellen Produktion arbeiten die Studenten schon seit anderthalb Jahren. Im Vorfeld haben sie sich mit der Geschichte der Oper beschäftigt. Manche der Studenten sind mit der Oper aufgewachsen wie die amerikanische Komponistin Evelyn Saylor, deren Mutter Opernsängerin ist. Andere sahen die Oper mit dem Blick von außen wie die Tonmeisterin Wei-Ju Shen, die in ihrer Heimat das Sounddesign für Filme gemacht hat. Auf der Bühne wird die Oper keine konkrete Rolle mehr spielen. Die frühe Diskussion über das Thema führte eher zur Abgrenzung gegenüber dem Genre.

Das Thema „Grenzen“ schien den Studenten interessanter. Jeder hat ein eigenes Audiostück entworfen, das sich mit materiellen oder unsichtbaren Grenzen beschäftigte. Wei-Ju Shen hat klingende Rituale aus drei Weltreligionen nebeneinandergestellt. Grenzen durch den Vorgang der Nachahmung zu überwinden, hat sich Vera Buhß in ihrem Klangstück vorgenommen. Dabei ist ihr zum Beispiel eine Verwandtschaft zwischen Türenquietschen und Klagelauten aufgefallen.

„Mich hat interessiert, wie Leute einander mit Schimpfworten ausgrenzen“, meint Evelyn Saylor. Sieben sehr unterschiedliche Stücke sind entstanden. Die Gruppe hat diese immer wieder diskutiert, transformiert, Übergänge geschaffen, Szenen dazu entworfen. Die Musiktheaterinstallation „Sounds for a while“ soll am Ende mehr sein als eine Abfolge unterschiedlicher Stückchen. „Wir haben Wege gesucht, alles miteinander zu verbinden“, sagt Wei-Ju Shen. „Ich habe einen Apfel, andere Orangen und Pfirsiche. Am Ende brauchen wir einen einzigen Baum mit vielen Früchten.“

Uraufführung Do 25. Juni, 20 Uhr, in der Tischlerei. Weitere Aufführungen 27.-30. Juni sowie 2. Juli, 20 Uhr