Gedenken

Panzer „Emil“ wird geputzt

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Jeanette Bederke

Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes restaurieren Fachleute das Denkmal auf dem Sockel im Dorf Kienitz

Im Dörfchen Kienitz hinter dem Oderdeich im Landkreis Märkisch-Oderland scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Hier gibt es noch eine „Straße der Befreiung“. Und direkt auf einem Platz daneben steht ein russischer Panzer, Typ T-34, auf dem Sockel. Der grüne Stahlkoloss mit dem roten Stern thront ungeachtet aller politischen Veränderungen seit Oktober 1970 in der Dorfmitte und ist zum Wahrzeichen der 560-Seelen-Gemeinde geworden.

„Und das, obwohl der Panzer historisch unkorrekt steht: in Süd-Nord-, statt in Ost-West-Richtung“, sagt Gerd-Ulrich Herrmann, Leiter der Kriegsgedenkstätte auf den Seelower Höhen, und lacht. Der T-34 erinnert an den 31. Januar vor 60 Jahren, als die Rote Armee hier erstmals über das Eis der Oder setzte und im Kampf um den Vormarsch nach Berlin ihren ersten Brückenkopf auf dem westlichen Flussufer errichtete. Von hier aus waren es nur noch 90 Kilometer in die deutsche Reichshauptstadt.

Infotafel zum Denkmal

Der erste Panzer, der in Kienitz ankam, soll nach historischen Überlieferungen ein T-34 gewesen sein. „Erster vom Faschismus befreiter Ort auf unserem Staatsgebiet. Ruhm und Ehre den Kämpfern der 5. Stoßarmee und der 2. Gardepanzerarmee“ ist auf der Tafel am Sockel des Denkmals in dem Ortsteil der Oderbruchgemeinde Letschin zu lesen.

Künftig sollen Geschichtsinteressierte dort noch mehr Informationen erhalten. Pünktlich zum 70. Jahrestag des Kriegsendes wird eine ausführliche Infotafel zur Geschichte des Zweiten Weltkrieges und zur Entstehung des Denkmals aufgestellt. Der in die Jahre gekommene Panzer wird derzeit umfassend restauriert, vom Rost und Dreck der Jahrzehnte auf dem Sockel befreit. Dafür stellt das Brandenburger Innenministerium 40.000 Euro aus Lottomitteln zur Verfügung. Die Gemeinde selbst trägt einen Eigenanteil in Höhe von 10.000 Euro. „Wir haben den Panzer zunächst gereinigt. Er bekommt noch einen neuen Anstrich. Einige Bauteile müssen wir in der Werkstatt aufarbeiten“, erzählt der Berliner Restaurator Georg Ignaszewski.

Er hat in der Region Erfahrung mit der Sanierung alten Kriegsgerätes – in der Gedenkstätte auf den Seelower Höhen. Laut dessen Leiter, Gerd-Ulrich Herrmann, ist das sowjetische Panzerdenkmal ein bedeutendes Mahnmal, das in enger Verbindung zu zahlreichen Kriegsgräberstätten in der Umgebung steht. Allein in Letschin sind 2500 Kriegsopfer in 13 Begräbnisstätten beerdigt worden.

Der morgendliche Angriff der russischen Truppen am Morgen des 31. Januar 1945 kam für die Deutschen überraschend. Von der Wehrmacht war nichts zu sehen, und die Kienitzer schauten unverhofft dem Feind ins Gesicht. „Mein Vater war gerade beim Holzhacken, als auf einmal Russen vor ihm standen“, erzählt eine ältere Kienitzerin. Etwa 1500 russische Soldaten eroberten den Ort. Die Dörfler hatten alles stehen und liegen lassen müssen, wurden gen Osten zwangsevakuiert. „Die Zivilbevölkerung war der Roten Armee nur im Wege, wusste sie doch, dass die deutsche Wehrmacht erbittert Widerstand leisten würde“, erläutert Herrmann. Und so waren es auch nicht die russischen Panzertruppen, sondern die deutschen Fliegerangriffe, die für Opfer in der flüchtenden Zivilbevölkerung sorgten.

Engagement des Bürgermeisters

Das Panzerdenkmal steht nach Ansicht des Brandenburger Innenministeriums symbolisch für den staatlichen Antifaschismus der DDR. Staatlich verordnet oder in der Bevölkerung tatsächlich verankert – darüber wird noch heute diskutiert. Dass der russische T-34 in Kienitz auf den Sockel kam, geht wohl auf den Einsatz des damaligen Bürgermeisters Emil Krüger zurück, im Volksmund deshalb auch „Panzer-Emil“ genannt. Er beharrte stets darauf, dass der Wunsch für ein Denkmal zur Erinnerung an die historischen Ereignisse 1972 von den Kienitzern selbst kam. Zu jener Zeit hatten Militärhistoriker zweifelsfrei belegt, dass Kienitz der erste Brückenkopf der Roten Armee gewesen war.

Im August vor 42 Jahren kam der Panzer in Begleitung eines russischen Majors aus Görlitz und fuhr aus eigener Kraft auf den Sockel, erzählt man sich noch heute in Kienitz. Nach dem Fall der Mauer haben sich vor allem die älteren Kienitzer für den Verbleib des Panzers ausgesprochen, in Erinnerung an das Engagement des Bürgermeisters liebevoll „Emil“ genannt. Schließlich erbe man die Geschichte komplett und nicht nur in Teilen. Um das Gedenken an die Kriegsgeschehnisse ausgewogener zu gestalten, steht seit einigen Jahren auf der anderen Straßenseite in Kienitz ein neutrales Mahnmal aus Feldsteinen für die Opfer des Zweiten Weltkrieges.