Hochstapler

BER-Planer war nur Geselle

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Thomas Fülling

Wichtiger Entwickler der Entrauchungsanlage hat kein Diplom als Ingenieur. Er ist nur ein technischer Zeichner

Auf den Fluren der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg herrschte am Dienstagmorgen Fassungslosigkeit. Dort, wo eigentlich mit Elan an der Fertigstellung des künftigen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld gearbeitet werden soll, treffen in immer kürzeren Abständen neue Hiobsbotschaften ein. „Erst der Bestechliche, dann die Akten-Wegschmeißer, jetzt auch noch ein Hochstapler“, sagte ein Manager entnervt, der lieber nicht genannt werden will. Optimismus sieht anders aus.

Gerade war bekannt geworden, dass ausgerechnet die bis heute nicht funktionstüchtige Entrauchungsanlage für das BER-Terminal von einem Mann entscheidend mitgeplant wurde, dem offenbar eine wichtige fachliche Qualifikation dafür fehlt. Wie das Magazin „Stern“ in seiner am morgigen Donnerstag erscheinenden Ausgabe berichtet, ist der erst im Frühjahr von Flughafen-Chef Hartmut Mehdorn geschasste Alfredo di Mauro, anders als in Berlin bisher angenommen, kein Ingenieur. Vielmehr bestätigte di Mauros Anwalt dem Magazin nach mehrmaligem Nachfragen, dass sein Mandant lediglich über einen Gesellenbrief als technischer Zeichner verfügt.

Flughafenchef Hartmut Mehdorn hatte erst Anfang Mai erklären lassen, dass die Zusammenarbeit mit dem 52-Jährigen beendet sei. „Er hat die Anlage 14 in ihrer vorliegenden, nicht funktionsfähigen Form geplant“, ließ Mehdorn damals erklären. Bereits im Frühjahr 2012 galt die Entrauchungsanlage als Hauptgrund für den geplatzten Eröffnungstermin des neuen Flughafens.

Brandschutz nicht genehmigt

Offiziell wollte sich die Flughafengesellschaft am Dienstag zu dem Fall di Mauro nicht äußern. In der Vergangenheit hatte sie dessen Arbeit jedoch wiederholt kritisiert und betont, dass der Brandschutz zum geplanten Eröffnungstermin 2012 nicht genehmigungsfähig war, weil die Entrauchung nicht funktionierte. Der heutige Flughafenchef Hartmut Mehdorn hatte jüngst auch darauf verwiesen, dass di Mauro nicht bei der Flughafengesellschaft, sondern bei der Planungsgemeinschaft pg bbi unter Vertrag stand. Den Vertrag mit der pg bbi wiederum hatte die Flughafengesellschaft im Sommer 2012 wegen gravierender Planungsmängel fristlos gekündigt.

Alfredo di Mauro räumte am Dienstag das Fehlen des entsprechenden Hochschulabschlusses ein: „Die haben mich alle für einen Ingenieur gehalten. Ich habe da nicht widersprochen.“ Ähnlich äußerte sich di Mauro im Hörfunksender 105’5 Spreeradio. „Als Mitarbeiter eines Ingenieursbüros stand auf meiner Visitenkarten fälschlicherweise: Dipl.Ing. Es kann sein, dass noch solche alten Karten im Umlauf sind“, sagte er dem Sender.

Di Mauro war erst im Frühjahr einer breiteren Öffentlichkeit bekannt geworden. Damals hatte er sich lauthals über seine Entlassung am BER und das unmittelbar folgende Hausverbot für die Baustelle beschwert. Es gebe keine Messung, die beweise, dass die Entrauchungsanlage nicht funktioniere. „Sie ist schlicht noch nicht fertiggestellt“, sagte er damals. Als kurz darauf BER-Technikchef Jochen Großmann wegen des Verdachts der Bestechlichkeit erst suspendiert, dann fristlos entlassen wurde, bot di Mauro zudem an, die Brandschutztechnik zu Ende bauen zu wollen. Ein Angebot, auf das Mehdorn lieber verzichtete.

Gegen di Mauro waren laut „Stern“ bereits im Jahr 2002 in seiner Heimatstadt Offenbach Vorwürfe öffentlich geworden. Damals sollen ihm die Gründer eines dortigen Ärztezentrums den Vertrag gekündigt haben. Angeblich wegen einer Fehlplanung di Mauros habe sich laut dem Bericht in der Tiefgarage des Sieben-Millionen-Projektes ein regelrechter See gebildet. „Er hat sich bei uns als Architekt vorgestellt“, sagte die Ärztin Ileana Mitrenca dem Magazin. Auch die „Offenbach Post“ berichtete über den Fall. Dort schildert die Ärztin weitere gravierende Mängel: Demnach waren die Aufzüge zu den OP-Sälen kleiner als vorgesehen und die Elektroinstallationen unzureichend. Auch seien von ihr an den als Generalunternehmer verpflichteten di Mauro überwiesene Raten nicht bei beauftragten Firmen angekommen. Der Dachdecker habe daraufhin die Arbeit eingestellt. „Di Mauro hat uns fast in die Pleite geritten“, zitiert die Zeitung die Ärztin. Di Mauro bestritt damals den Vorwurf der Fehlplanung. Er habe sich dort auch nicht als Architekt vorgestellt.

Di Mauro behauptete zunächst gegenüber dem „Stern“, er verfüge über einen Ingenieursabschluss. Der Vorwurf der Hochstapelei sei „völlig absurd“. Nach seinen Worten arbeitete er laut dem Magazin seit 2006 für das Flughafenprojekt, dies zunächst als freier Mitarbeiter für eine Ingenieursfirma, die dann 2010 in die Insolvenz ging. Für sie habe er die Entrauchungsanlage für den sogenannten Main Pier des Airports geplant. Dieser 715 Meter lange Komplex ist zugleich das Hauptgebäude des Flughafens. Anschließend seien zwei von ihm selbst geführte Firmen, die als „Ingenieursbüros“ firmierten, für das Airport-Projekt tätig gewesen. Zuletzt habe er 2012 und 2013 Aufträge des Flughafens erhalten.

Flughafen erstattet Anzeige

Unterdessen hat der Flughafenbetreiber Anzeige gegen Unbekannt erstattet, nachdem am Montag zahlreiche Ordner mit Akten zum Bau des neuen Hauptstadtflughafens in zwei frei zugänglichen Containern gefunden worden waren. „Offensichtlich stammen die Akten aus einem Planungsbüro, das früher für die Flughafengesellschaft arbeitete“, sagte ein Flughafensprecher am Dienstag. Er sprach von einem eklatanten Verstoß gegen vertragliche Pflichten und einem Bruch der Vertraulichkeit. Die Ordner waren von Passanten an einer Straße in Lichtenberg entdeckt worden. Sie wurden von der Polizei schließlich sichergestellt. Der Fundort liegt in der Nähe des früheren Standorts der JSK Architekten. Das Büro hatte in der Planungsgemeinschaft pg bbi gemeinsam mit dem Hamburger Büro des Flughafen-Architekten Meinhard von Gerkan, GMP, auf der Baustelle gearbeitet. Nach der geplatzten Eröffnung wurde die pg bbi entlassen, JSK meldete im Herbst des vergangenen Jahres Insolvenz an.

Laut „BZ“ handelt es sich bei den Unterlagen um Planungs- und Kontrollberichte der Architektengemeinschaft. Sie enthielten detaillierte Angaben etwa zu Fahrstühlen und Starkstromanlagen sowie Grundrisse des Fluggastterminals. Die Polizei machte zum Inhalt der Unterlagen am Dienstag keine Angaben. Die Auswertung dauere an, sagte eine Sprecherin. Das Büro Gerkan wollte sich nicht äußern.

Die pg bbi hatte nach ihrer Kündigung 2012 kistenweise Pläne und andere Unterlagen von der Baustelle mitgenommen. Der Flughafen forderte diese zurück, GMP beharrte zuletzt darauf, dem Betreiber alle geforderten Unterlagen übergeben zu haben. Beide Seiten streiten gerichtlich um Schadenersatz für das Flughafendebakel.

( mit dpa )