Kolonie Oeynhausen streitet mit Bezirksamt über mögliche Entschädigung für den Investor

Die erste Euphorie ist verflogen, nun geht es ans Eingemachte. Nach der überwältigenden Unterstützung, die die Kleingärtner der Kolonie Oeynhausen beim Bürgerentscheid am 25. Mai erfahren haben, streiten sie nun mit dem Bezirksamt von Charlottenburg-Wilmersdorf über das weitere Prozedere und um mögliche Schadenersatzforderungen des Eigentümers Lorac. Vertreter der Kleingartenkolonie und der Bürgerinitiative (BI) Schmargendorf werfen dem SPD-Baustadtrat Marc Schulte vor, entgegen bisherigen Bekundungen das weitere planungsrechtliche Verfahren zur Sicherung ihres Geländes zu gefährden.

Am Donnerstag nutzten die Kleingartenvertreter die Bezirksverordneten-Versammlung (BVV), um vor der Sitzung erneut ihre Sicht der Dinge zu erläutern. Bei der anschließenden Sitzung stand eine Große Anfrage der CDU über den weiteren Umgang des Bezirks mit dem Erfolg des Bürgerentscheids ebenso auf der Tagesordnung, wie ein Antrag der Fraktionen von CDU und Piraten zur einer Abstimmung „Veränderungssperre jetzt“. Die BVV stimmte am Ende mit der Mehrheit von SPD und Grünen für eine etwas „flexiblere“ Verfahrensweise als von CDU und Piraten in ihrem Antrag gewünscht. Angenommen wurde ein Ersetzungsantrag der Grünen-Fraktion, so deren baupolitischer Sprecher, Christoph Wapler. „Es besteht fraktionsübergreifender Konsens, dass das Bezirksamt den Bürgerentscheid ernst nehmen und alles ihm Mögliche tun soll, ihn umzusetzen.“ Sollten Aktivitäten des Eigentümers die Festsetzung gefährden, sei unverzüglich mit Rückstellungen und einer Veränderungssperre zu reagieren. Zuvor wolle man aber die Höhe des finanziellen Risikos abgrenzen, um eine Hausnummer zu haben, so Wapler.

Hintergrund der politischen Auseinandersetzung ist ein Urteil vom 9.Mai. Darin hatte das Berliner Verwaltungsgericht das Baurecht und eine Erschließungspflicht des Landes für das Areal der Kolonie Oeynhausen bestätigt und dem Investor damit den Rücken gestärkt. Damit das Oberverwaltungsgericht (OVG) eine Berufung zulässt, ist bis zum 23. Juli eine Begründung erforderlich, zu der eine veränderte Rechtslage nötig sei, sagt Wolfgang Vonnemann von der BI Schmargendorf. Eine Veränderungssperre liefere die nötige Grundlage und müsse demnach bis zu diesem Stichtag greifen. Der Bezirk könne damit drei Jahre Zeit gewinnen, um die kleingärtnerische Nutzung des Geländes dauerhaft zu sichern, denn in dieser Zeit dürfe auf dem Areal nichts verändert werden. Laut der SPD-Bezirksverordneten Heike Schmitt-Schmelz hat das Bezirksamt die Zulassung des Berufungsverfahrens beim OVG am Mittwoch beantragt und muss nun eine Begründung dafür ausarbeiten. Arne Herz, baupolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, die den Ursprungsantrag mit eingebracht hatte, zeigte wenig Verständnis für die vorsichtige Haltung von SPD und Grünen. „Die rot-grüne Zählgemeinschaft hat eine Chance vertan, einen Schritt zu machen, um die Lage zu beruhigen“, so Herz.

Das Zögern des Baustadtrats sei unbegründet, ist sich BI-Vertreter Vonnemann sicher und verweist dazu auf § 18 Absatz 1 des Baugesetzbuchs. „Eine Veränderungssperre ist für das Bezirksamt völlig risikolos“, erläutert Frank Sommer von der Kleingartenkolonie. „Es kann keine Entschädigung gefordert werden, wenn sie nicht länger als vier Jahre dauert.“ In der gewonnenen Zeit könnte erst einmal der Gutachterausschuss der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung den Wert des Geländes ermitteln. Danach könne das Bezirksamt die nötige Summe notfalls beim Finanzsenator beantragen, Ende 2015 entscheidet das Abgeordnetenhaus über den nächsten Haushalt. Dann könne die Sperre wieder aufgehoben und der Investor notfalls entschädigt werden. Die Kleingärtner sind bereit, sich daran zu beteiligen. Erst wenn sich herausstelle, dass die Summe die Möglichkeiten der öffentlichen Hand übersteigt, müsse man einsehen, dass die Sache verloren ist, so Sommer. Wie berichtet, war es den Kleingärtnern gelungen, bei dem Bürgerentscheid am 25. Mai zum Erhalt ihrer Kolonie 77 Prozent der Wahlberechtigten in Charlottenburg-Wilmersdorf von ihrem Anliegen zu überzeugen.

Unklar ist nach wie vor, was es den Bezirk kosten könnte, auf den Bürgerwillen einzugehen. Das etwa 93.000 Quadratmeter große Areal an der Forckenbeck- und Cunostraße war 2008 von der Post an die Lorac verkauft worden, die mit Schadensersatzforderungen droht, sollte das Baurecht dort aufgehoben werden.

Konkurrierende Einschätzungen

Der Investor brachte dafür 25 Millionen Euro ins Spiel, die Kleingärtner sprechen von 900.000 bis maximal 2,5Millionen Euro. Inzwischen liegt zudem ein Gutachten vor, das Klaus Finkelnburg im Auftrag des Bezirksamts erstellt hat. Er nennt darin „unverbindlich“ eine mögliche Schadensersatzhöhe von fünf bis zehn Millionen Euro. Die Vertreter der Kleingärtner setzen auf eine andere Einschätzung. Sie stammt von Christian-W. Otto, der Finkelnburg in der rechtlichen Bewertung zustimmt, die genannte Höhe der möglichen Entschädigung jedoch für nicht haltbar einschätzt, da der Gutachter dafür eine Begründung schuldig bliebe.

Die Kleingärtner hoffen weiter darauf, gemeinsam mit dem Bezirk ihre Lauben zu retten.